Erste Erfahrungen mit Bildungsgutscheinen sind ernüchternd
Berlin: (hib/BES) Über die aktuelle Situation in der beruflichen Bildung und Weiterbildung nach Inkrafttreten der so genannten Hartz-Gesetze hat am Mittwochvormittag Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesanstalt für Arbeit (BA), im Ausschuss für Bildung und Forschung berichtet. Die allgemeinen Sparzwänge seien nach seinen Angaben nicht ohne Einfluss auf die Maßnahmen der beruflichen Bildung und Weiterbildung der BA im laufenden Jahr geblieben. So habe die Nürnberger Behörde erheblich weniger Mittel für entsprechende Bildungsangebote zur Verfügung. Sie sanken nach Angaben Alts um rund 20 Prozent von 6,7 Milliarden Euro im vergangenen Haushaltsjahr auf nunmehr 5,3 Milliarden Euro. Die BA rechne daher damit, dass die Zahl der Teilnehmer an Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen der Arbeitsämter 2003 um etwa 70 000 auf 260 000 sinken werde. Im ersten Quartal dieses Jahres sei eine Halbierung der Eintritte in Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen der BA im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen gewesen. Auch die Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen gestalte sich auf Grund deren angespannter finanzieller Lage sehr schwierig.
Vorgestellt wurde dem Ausschuss auch ein Bericht der Bundesregierung über die ersten Erfahrungen mit Bildungsgutscheinen für die Weiterbildung, die am 1. Januar dieses Jahres eingeführt wurden. Mit dieser Neuregelung, die im Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (15/25) enthalten ist, soll die Förderung der Weiterbildung vereinfacht und die Eigenverantwortung der Weiterbildungswilligen gestärkt werden. Nach Angaben der Regierung übersteige die Anzahl derjenigen, die einen Weiterbildungsschein begehren, deutlich die Fördermöglichkeiten der Arbeitsämter. Eine verstärkte Nachfrage sei in Bereichen zu verzeichnen, in denen ein Arbeitskräftebedarf bekannt sei. Allerdings sei der Rücklauf von Bildungsgutscheinen angesichts der erst kurzen Geltungsdauer der Regelung bisher gering, räumt die Regierung in ihrem Bericht ein. Es fehle zudem eine überregionale Liste zugelassener Weiterbildungsangebote. Dies erschwere den Weiterbildungsinteressierten, sich einen Marktüberblick zu verschaffen. Anlaufschwierigkeiten habe es auch in der Kommunikation zwischen den Arbeitsämtern, den potenziellen Weiterbildungswilligen und den Trägern gegeben.
Auf die Schwächen der Neuregelung auch der Vertreter der BA, Alt, ein. Sie seien vor allem in großen Städten sichtbar geworden, da diese über eine große Vielfalt an Bildungsangeboten verfügten. Als Beispiel nannte er die Situation in Schwerin, wo 20 ausbildungswillige Jugendliche mit einem Gutschein zwischen 14 Trägern wählen müssten. Für viele Bildungsträger sei in der Folge schwierig, Teilnehmergruppen zusammenzustellen, die wirtschaftlich seien. Die BA befinde sich im intensiven Dialog mit den Ausbildungsträgern und wolle ihn verstärkt weiter führen, so Alt. Die Informationsschwierigkeiten über das aktuelle Ausbildungsangebot für die potenziellen Teilnehmer habe seine Behörde erkannt und arbeite daran, eine schriftliche Liste mit den Angeboten zu erstellen. Diese werde ab dem 1. Juli auch im Internet verfügbar sein.
In der Diskussion stellten alle Fraktionen übereinstimmend fest, dass die bisherigen Erfahrungen mit den Ausbildungsgutscheinen negativ seien. So nannte die SPD die Halbierung der Eintritte in Bildungsmaßnahmen der BA im ersten Quartal eine "dramatische Entwicklung". Die Union sprach von einer "traurigen Zahl", die FDP von "Enttäuschung". Nach Ansicht der Sozialdemokraten "hapert es" vor allem an einer soliden Vorarbeit und Umsetzung der Neuregelung, die die Fraktion nach wie vor unterstütze. Dies sahen auch die Grünen so: Über die Konsequenzen politischer Ideen werde oft erst später nachgedacht.
Übereinstimmung bestand auch darin, dass die neue Regelung von gezielten Beratungs- und Steuerungsmaßnahmen der Arbeitsämter flankiert werden solle. Alle Fraktionen kritisierten darüber hinaus die von der BA festgesetzte so genannte Verbleibquote von mindestens 70 Prozent. Diese Qualitätsvorgabe sieht vor, dass von den Arbeitsämtern nur solche Ausbildungsmaßnahmen zugelassen werden, deren Teilnehmer voraussichtlich spätestens sechs Monate nach Beendigung der Schulung wieder eine Arbeitsstelle finden. Diese Vorgabe sei nach übereinstimmender Meinung der Fraktionen zu pauschal gefasst und sollte flexibilisiert werden. Der Vertreter der BA verteidigte hingegen diese Praxis, da die Arbeitsämter unter hohem Legitimationsdruck der Beitragszahler und der Öffentlichkeit stünden, dem sie Rechnung tragen müssten. Auch begrüßten viele Träger diese Regelung.