Klinikfinanzierung bleibt umstritten
Berlin: (hib/KOS) Ein grundsätzliches Ja der Krankenhausträger wie der Ärztevertreter als Leistungserbringer, hingegen massive Vorbehalte der Krankenkassen als Finanziers der Kliniken: Bei der Anhörung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung am heutigen Mittwoch zum Fallpauschalenänderungsgesetz traten die unterschiedlichen Interessen im Blick auf Ausnahmeregelungen bei der bundeseinheitlich geregelten pauschalierten Bezahlung von Krankenhauskosten offen zutage. Der von der SPD und den Grünen vorgelegte Gesetzentwurf ( 15/614) zielt auf eine Änderung der in der vergangenen Legislaturperiode beschlossenen Umstellung der Klinikfinanzierung, deren Leistungen jetzt über Fallpauschalen erstattet werden. Dies geschieht seit Jahresbeginn auf freiwilliger Basis und wird vom Januar 2004 an für alle Krankenhäuser verbindlich. Grundlage der Fallpauschalen-Berechnung ist das sogenannte DRG-System (Diagnosis Related Groups) nach australischem Muster.
Aus Sicht der Anbieter ist eine Öffnung der bundesweiten Regelung erforderlich, weil das allgemeine DRG-Modell Kostenfaktoren wie besondere medizinische Maßnahmen oder Personalaufwendungen nur unzureichend berücksichtige. Die Bundesärztekammer schätzt, dass 20 bis 30 Prozent der Klinikleistungen von diesem generellen Fallpauschalensystem nicht adäquat erfasst werden - beispielsweise bei der Geriatrie, der Kinder- und Unfallchirurgie, der Rheumatologie oder der Intensiv- und Transplantationsmedizin. Der Verband der gewerblichen Berufsgenossenschaften warnte, dass wegen der unzureichenden Finanzierung im allgemeinen DRG-Rahmen Kliniken für die Behandlung von Querschnittsgelähmten, schwer Brandverletzten und Polytraumatisierten Betten abbauen müssten. Der Deutsche Pflegerat wies darauf hin, dass sich die Zahl von Schwerstpflegefällen weiter erhöhen werde, was ein entsprechend ausgebildetes Fachpersonal erforderlich mache. Der Deutsche Städtetag kritisierte, dass die Vergütung nach dem Fallpauschalengesetz die erhöhten Personalaufwendungen bei kommunalen Kliniken nicht integriere. Die Ärztekammer gab zu bedenken, dass das "Riesenproblem unbezahlter Überstunden" von Medizinern zu beachten sei.
Wie der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßte die Deutsche Krankenhausgesellschaft die im Gesetzentwurf vorgesehene Erweiterung von Ausnahmeregelungen, die eine besondere und damit bessere Finanzierung "krankenhausindividueller Leistungen" ermögliche. Die Krankenhausgesellschaft betonte, die Aushandlung spezieller Pauschalen in solchen Fällen solle auf der Basis konkreter Daten und "sachgerechter Kriterien" erfolgen. Dies sei ohne staatliche Einmischung möglich: "Vorfahrt für die Selbstverwaltung!".
Nachdrücklich gegen weitgefasste Ausnahmemöglichkeiten wandten sich bei dem Hearing die Sprecher der gesetzlichen wie der privaten Kassen, die als Finanziers des Gesundheitswesens erhöhte Ausgabe befürchten bis hin zu "Gefahren für die Beitragsstabilität". Es sei "kein konstruktiver Vorschlag" , die bundesweit geltenden Pauschalregeln zugunsten einzelner vor Ort ausgehandelter Vergütungen aufzuweichen. So entstehe ein "Mischsystem", das mit der DRG-Einführung eigentlich habe beseitigt werden sollen. Die AOK etwa warnte, "es darf sich für Kliniken nicht lohnen, in den Ausnahmebereich zu kommen". Allein schon die Ankündigung erweiterter Ausnahmen vom bundesweiten Fallpauschalenprinzip habe eine problematische Entwicklung in Gang gesetzt. Die vorgesehene Gesetzesnovellierung schafft aus Sicht der Kassen unerwünschten Anreize: "Die inhaltlichen Änderungen sind nahezu deckungsgleich mit den Forderungen der Leistungserbringerseite".
Der Verband der privaten Krankenversicherung hob hervor, dass Ausnahmen konkret zu begründen und mit Daten zu belegen seien. Solche Fälle müssten finanziell eng begrenzt werden, verlangte die AOK. Würden medizinische Behandlungen nicht vom generellen DRG-System erfasst, so solle man für die Vergütung solcher Leistungen ebenfalls im Rahmen der allgemeinen Pauschalregelung nach Lösungen suchen und nicht den Weg individueller Verhandlungen mit Kliniken vor Ort beschreiten, forderte der Verband der Angestellten-Krankenkassen.