Zeugen bestreiten Verabredungen, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen
Berlin: (hib/KHB) Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum angeblichen Wahlbetrug der Bundesregierung vor dem 22. September 2002 hat am Montag die letzte Runde der Beweisaufnahme eröffnet. Er hörte den damaligen Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye und den damaligen für Haushaltsfragen zuständigen Abgeordneten der Bündnisgrünen Oswald Metzger als Zeugen. Der ehemalige Staatssekretär und der ehemalige Bundestagsabgeordnete versicherten übereinstimmend, es habe vor der Wahl ihres Wissens keinerlei Verabredungen oder Vereinbarungen gegeben, den Bundestag und die Öffentlichkeit über die Lage des Bundeshaushalts, über die Einhaltung der europäischen Stabilitätskriterien sowie über die Lage der Renten- und Krankenkassen bewusst hinters Licht zu führen.
Heye, der am 1. Juli neuer Generalkonsul in New York wird, nannte den Vorwurf "einen völlig unglaublichen Verdacht". In den angesprochenen Bereichen habe die Bundesregierung "kein Informationsmonopol". Die Mitglieder der Bundespressekonferenz hätten es ihm "gewiss nicht nachgesehen", wenn er die Öffentlichkeit hätte "düpieren" wollen. "Hätte mir jemand einen solchen Vorschlag gemacht, ich hätte ihn ausgelacht," sagte Heye. "Nichts ist in einem Schattenbereich gewesen, alles war öffentlich." Der frühere Regierungssprecher erinnerte daran, dass er in diesen Bereichen "kein Experte" sei und vor der Bundespressekonferenz nur einmal zur Einhaltung der europäischen Stabilitätskriterien die Haltung der Bundesregierung dargelegt habe. In der Regel hätten zu den angesprochenen Komplexen die Sprecher der Ministerien Fragen der Journalisten beantwortet. Er habe in dieser Zeit vielmehr zum deutsch-amerikanischen Verhältnis und zu möglichen Folgen eines Irakkriegs Stellung genommen. Auf die Frage des Obmanns der CDU/CSU, Peter Altmaier, warum er im Juli die wirtschaftliche Lage als hoffnungsfroh dargestellt habe, sagte Heye: "Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, die optimistischere Variante zu vertreten. Stellen Sie sich die Schlagzeilen vor, wenn ich als Regierungssprecher alles schwarz in schwarz gemalt hätte." Fragen, welche Gespräche Heye mit dem Bundeskanzler darüber führte, wurden nichtöffentlich erörtert.
Oswald Metzger wiederholte seine Vorwürfe gegen das politische Establishment, vor der Wahl die Dinge "weich gezeichnet" zu haben; das gelte für die Bundesregierung wie für alle Länderregierungen. Metzger, der nicht wieder dem Bundestag angehört, hatte nach der Wahl gesagt: "In einem Abwägungsprozess, wollen wir weiterregieren, hat sich die SPD und die Bundesregierung und damit auch der Bundesfinanzminister fürs Weiterregieren entschieden und gegen die Ehrlichkeit." Der Satz hatte dazu beigetragen, dass der Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde. Die "desaströse Finanzlage" des Bundes sei im vergangenen Jahr nicht zu übersehen gewesen, sagte Metzger. Seine Kritik am finanzpolitischen Kurs der Regierung habe er im Frühjahr öffentlich vorgetragen und auch in seiner Rede zur Haushaltspolitik am 11. September im Bundestag angesprochen. Nach seinem Wissen habe der Bundeskanzler im Frühjahr den damaligen Fraktionsvorsitzenden Rezzo Schlauch zu sich bestellt und ihm aufgetragen, den "Alleingang" des Abgeordneten Metzger "zu stoppen". Im September habe er vor seiner Rede an die zehn Ratschläge aus seiner Fraktion erhalten zu bedenken, dass Wahlkampf sei; man wolle "keine konkreten Zahlen hören". Er habe das Thema Verschuldung dennoch angesprochen, weil er sich das selbst schuldig gewesen sei. Zudem sei er sich sicher gewesen sei, dass das europäische Stabilitätskriterium von drei Prozent nicht nur knapp verfehlt werde. "Ich sah, es geht glatt daneben." Er habe nicht über "Herrschaftswissen" verfügt, sondern nur über Zahlen, die allen zugänglich gewesen seien. Metzger nannte bei seiner Zeugenbefragung die Äußerung des Bundesfinanzministers Hans Eichel (SPD) vor der Wahl "hyperunklug", die Bundesregierung halte am Ziel einer Senkung der Verschuldung im Jahre 2002 von 21 auf 15 Milliarden Euro fest. Es liege aber in der Philosophie des Ministers, der sich stets als "Hans im Glück" gefühlt habe. Er sei kein Teil einer Verschwörung. Es habe auch keine Sprachregelung gegeben - "der hätte ich mich nie gebeugt", erklärte Metzger.
Am kommenden Donnerstag wird der Ausschuss den Chef des Kanzleramts Frank Walter Steinmeier und am 3. Juli Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zu den Vorwürfen vernehmen.