"Bei Sars sind wir international mit einem blauen Auge davongekommen"
Berlin: (hib/BES) Über Risiken neuartiger Infektionskrankheiten hat sich am Mittwochvormittag der Forschungsausschuss in einem Gespräch mit dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), Professor Reinhard Kurth, und dem Direktor des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie, Professor Karl Ulrich Meyer, informiert. "Bei Sars sind wir international noch mit einem blauen Auge davongekommen", stellte dabei der RKI-Präsident fest. Doch die Krankheit werde wieder ausbrechen, davon müsse man ausgehen, weil sie für viele Tierarten infektiös sei. Es bestehe daher ein erheblicher Forschungsbedarf. Gebraucht werde außerdem eine viel bessere Diagnostik. Deutschland habe jedoch international viel zur Bekämpfung der Infektionskrankheit beigetragen. Das deutsche Meldewesen als Frühwarnsystem sei inzwischen weltweit führend, so Kurth. Auch die internationale Kommunikation sei als Konsequenz der Ereignisse von 11. September 2001 "hervorragend". Eine neue Herausforderung stelle jedoch die Globalisierung der Infektionskrankheiten dar, die unter anderem durch die Mobilität der Menschen gefördert werde. aber auch durch zu wenig beachtete Technikfolgenabschätzung bei Einführung neuer Technologien in Landwirtschaft und Ernährungsindustrie. Auch Krankheiten, die im Westen als ausgerottet gelten, breiten sich in anderen Teilen der Welt wieder aus. Zurzeit werde ein Pestausbruch in Algerien beobachtet. Ein großes Problem sei in diesem Zusammenhang Ost-Europa. Es gebe dort eine "Explosion" an Tuberkulose- und Aidserkrankungen, analysierte Kurth weiter. Aids sei die größte medizinische Katastrophe seit der mittelalterlichen Pestepidemie, die Europa seinerzeit teilweise entvölkerte.
Auch der Direktor des Max-Planck-Instituts Meyer schätzte die Aids-Gefahr und die Globalisierung der Infektionskrankheiten ähnlich ein. Daher sei die Infektionsforschung von hoher Bedeutung. Gebraucht würden neue Technologien zur Bekämpfung der Viren. Hoffung wecke eine neue Methode, die so genannte RNA-Interferenztechnologie, die von Thomas Tuschl zusammen mit seiner Arbeitsgruppe aus dem Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen entwickelt wurde. Dieses Verfahren mache es möglich, Gene in Kulturen menschlicher Zellen gezielt abzuschalten. Dies könnte unter anderem bei der Aids-Therapie eingesetzt werden. Deutschland habe jedoch inzwischen keinen Anteil mehr an diesem hierzulande entwickelten Verfahren. Angesichts der Mannigfaltigkeit der Infektionsmöglichkeiten das RNA-Interferenzverfahren und die Infektionsforschung allgemein sowie eine intensive Grundlagenforschung gefördert werden, so Meyer. "Wir werden das genauer aufgreifen", versicherte ein Regierungsvertreter im Bezug auf die RNA-Interferenztechnologie.