Arbeitszeiturteil des EuGH verursacht Mehrkosten von 1,7 Milliarden Euro
Berlin: (hib/VOM) Das Arbeitszeiturteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 9. September, wonach Bereitschaftsdienst im vollem Umfang als Arbeitszeit verstanden werden muss, führt voraussichtlich zu jährlichen Mehrkosten im Krankenhaussektor in Höhe von 1,7 Milliarden Euro. Diese Zahl nannte die Deutsche Krankenhausgesellschaft am Montagvormittag in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit. Dabei ging es um eine von SPD und Bündnis 90/Die Grünen geplante Änderung des Arbeitszeitgesetzes aufgrund des EuGH-Urteils. Die Änderung soll in das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt ( 15/1204) aufgenommen werden, das der Ausschuss am Mittwoch abschließend berät und das am Freitag im Plenum des Bundestages verabschiedet werden soll. Bislang ist nach deutschem Recht Bereitschaftsdienst keine Arbeitszeit. Die Fraktionen wollen den Tarifvertragsparteien nun die Möglichkeit geben, die Arbeitszeit auch über zehn Stunden je Werktag hinaus zu verlängern, wenn sie regelmäßig und zu einem erheblichen Teil Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst umfasst. Den Zeitraum, innerhalb dessen die verlängerte Arbeitszeit auf durchschnittlich acht Stunden pro Werktag ausgeglichen werden muss, sollen die Tarifvertragsparteien auf bis zu zwölf Monate ausdehnen können. Zusätzlich sollen sie bei regelmäßigen Bereitschaftsdiensten vereinbaren können, dass die Arbeitszeit ohne Zeitausgleich über acht Stunden je Werktag hinaus verlängert werden darf, wobei diese Arbeitzeitverlängerung jedoch unter Tarifvorbehalt gestellt werden soll. Auch soll der Beschäftigte dazu schriftlich seine Einwilligung geben. Generell soll jedoch die Arbeitszeit im Durchschnitt nicht mehr als 48 Stunden wöchentlich betragen dürfen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisiert, dass mit dieser geplanten Änderung ohne Not die Chance vertan wird, flexible Arbeitszeitregelungen zu schaffen, wie sie das EU-Recht zulasse. Sie bat dringend zu prüfen, ob nicht eine Übergangsregelung oder ein Stufenplan formuliert werden kann, weil es derzeit nicht ausreichend Ärzte gebe, um das EuGH-Urteil umzusetzen. Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (verdi) plädierte dafür, die Obergrenze von 48 Arbeitsstunden pro Woche im Gesetz festzuhalten. Auch sei der Ausgleichszeitraum von zwölf
Monaten zu lang bemessen, um den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Der Marburger Bund als Vertreter der Ärzteschaft forderte, eine tägliche Höchstarbeitszeit festzulegen, die von den Tarifvertragsparteien nicht überschritten werden kann. Die jetzt geplante Änderung im Arbeitszeitgesetz lasse trotz des Ausgleichszeitraums eine tatsächliche Arbeitszeit von weit über 13 Stunden zu und verkürze damit die vorgeschriebene Ruhezeit von elf Stunden. Auch wenn eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden vorgeschrieben sei, könne dies unter Umständen zu einer täglichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden führen, was im Sinne des Arbeitsschutzes absurd sei. Die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen plädierte dafür, den größtmöglichen Rahmen an Flexibilität auszuschöpfen. Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitsgeberverbände erinnerte daran, dass nicht nur Krankenhauspersonal, sondern auch die Feuerwehren von der Regelung betroffen sind.