Vitorino: Deutschland ist nicht allein mit hohen Asylbewerberzahlen
Berlin: (hib/WOL) Deutschland ist in der EU nicht allein mit hohen Asylbewerberzahlen, sagte Antonio Vitorino, EU-Kommissar für Asyl- und Ausländerpolitik, am Montagnachmittag bei einem Informationsaustausch mit den Mitgliedern des Innenausschusses. Der Aussage der CDU/CSU, wonach sich die Zahl der Asylbewerber in Deutschland von 1982 bis zum Asylkompromiss im Jahr 1992 von ehemals 40 000 auf über 400 000 "verzehnfacht" habe, begegnete Vitorino mit dem Hinweis, von 1992 bis 2002 sei die Zahl der Asylsuchenden von 400 000 auf rund 70 000 jährlich zurückgegangen. Im Hinblick auf die von der CDU/CSU angesprochene Quotenlösung verwies der EU-Kommissar auf vergleichbar hohe Zahlen in England, den Niederlanden und Österreich. Der von den Christdemokraten angesprochene Mechanismus finanzieller und humanitärer Lastenverteilung in Relation zu Bevölkerungs- und Flüchtlingszahlen könne sich dabei auch gegen die eigenen Interessen wenden. Zu der ebenfalls von der Union angesprochenen Drittstaatenregelung, wonach "erhaltenswert sei, was sich bewährt" habe, sagte Vitorino, eine sichere Drittstaatendefinition sei sehr problematisch. Dies sei nicht nur von England festgestellt worden. Nicht alle Staaten, die die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet hätten, seien auch sichere Drittstaaten. Im Übrigen müsse die Nützlichkeit solcher Einschätzungen nach der EU-Erweiterung überprüft werden. Vitorino verwies darauf, dass mit dem Beitritt Polens und Tschechiens im Mai 2004 der Dublin-II-Regelung eine Schlüsselrolle zukomme.
Bereits in seinem Eingangsstatement war der EU-Kommissar auf Befürchtungen eingegangen, wonach deutsche Interessen nicht ausreichend berücksichtigt seien. Vitorino würdigte dabei das besonders freundschaftliche Verhältnis zu Innenminister Otto Schily. Der sei zwar "der liebste Innenminister", was aber nichts daran ändere, dass die Verhandlungen mit ihm äußerst akribisch und besonders zäh geführt würden. Mit Blick auf bisher erreichte Ergebnisse hatte Vitorino auch seiner Enttäuschung Ausdruck verliehen, dass es bei der Lösung der Ausländerzuwanderung und der Asylfragen wesentlich langsamer voran gehe als es - nicht zuletzt im Hinblick auf die betroffenen Menschen - erforderlich sei. Noch immer fehle es bei zwei EU-Richtlinien, den Mindestgemeinsamkeiten und bei der Definition des Flüchtlingsschutzes, an der Einstimmigkeit. Während es
inzwischen gelungen sei, 14 der 15 Länder zu einer einstimmigen Position zu bewegen und selbst Frankreich dem Kompromiss inzwischen zugestimmt habe, unterscheide sich die Position Deutschlands von der Position der 14 anderen bei der Anerkennung nichtstaatlicher Verfolgung. Der EU-Kommissar erläuterte, in den vorgesehenen Vereinbarungen sei die Anerkennung geschlechtlicher Verfolgung durch nichtstaatliche Gruppen "abgedeckt", aber kein gesondertes Schutzelement. Es gelte zu unterscheiden zwischen Verfolgung und Diskriminierung, und es gehe darum, objektive Verfolgungselemente aufzuzeigen. Im Hinblick auf notwendige Definitionen und die Einarbeitung deutscher Vorschläge sei im Übrigen daran gedacht, den Hohen Kommissar für Flüchtlingsfragen der Vereinten Nationen (UNHCR) bei Definitionsfragen um Rechtshilfe zu bitten, denn es gehe nicht um eine Rechtsauffassung der EU, sondern um internationales Recht.