Zwischenbilanz und Fortführung der Bahnreform bei Experten umstritten
Berlin: (hib/POT) Ob die mit der vor mehr als zehn Jahren beschlossenen Bahnreform verbundenen Hauptziele, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen und den Bundeshaushalt zu entlasten, erreicht worden sind, waren sich die Experten einer öffentlichen Anhörung des Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen am Montagmittag nicht einig. Grundlage der Anhörung waren Anträge der FDP-Fraktion ( 15/1591), von Union und Liberalen ( 15/2156) sowie der Koalitionsfraktionen ( 15/2658) zur Fortführung der Bahnreform.
t)Für Klaus Daubertshäuser, Vorstand Marketing der Deutschen Bahn AG (DB AG), ist es seit Beginn der Bahnreform gelungen, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. So sei der Anteil der Schiene am Gesamtverkehrsmarkt von 10,2 Prozent im Jahr 1993 auf 11,2 Prozent im Jahr 2003 gestiegen. Zur Entfaltung der Systemstärke der Schiene und zur Wahrnehmung der Marktpotenziale im Schienenverkehr hält Daubertshäuser eine europaweite Öffnung der Schienennetze für notwendig. Zudem müssten die Nachteile der Schiene im Vergleich mit den konkurrierenden Verkehrsträgern weiter abgebaut werden. Dies betreffe insbesondere die Angleichung der öffentlichen Mittel für Infrastrukturmaßnahmen zwischen Straße und Schiene und der Belastungen bei Mehrwert- und Energiesteuer. Zudem müssten die Sozial- und Sicherheitsstandards und die Wegekostenanlastung harmonisiert und externe Umwelt- und Unfallkosten internalisiert werden. Entscheidende Basis für eine erfolgreiche materielle Privatisierung sei der Verbund von Infrastruktur und Transport im DB-Konzern, da nur im Verbund hohe Produktivität und Qualität gesichert und das System Schiene zugunsten aller Verkehrsunternehmen stabilisiert werden könne. Für Norbert Hansen, Vorsitzender der Gewerkschaft TRANSNET, steht der Börsengang der DB AG nicht im Mittelpunkt der Bahnreform. Ein Börsengang beziehungsweise eine Privatisierung müsse die Voraussetzungen für mehr Verkehr auf die Schiene schaffen. Teilprivatisierungen einzelner Unternehmensbereiche würden von TRANSNET ebenso abgelehnt wie eine Privatisierung der DB AG unter gleichzeitiger Trennung von Netz und Betrieb.
u)Nach Ansicht von Jan Werner vom Verkehrsclub Deutschland ist die Bahnreform "auf halbem Wege stehen geblieben". Derzeit kämen weder die Vorteile des "Staatsbahnmodells" wie die Einflussnahme im öffentlichen Interesse noch die Vorzüge des "Wettbewerbsmodells" wie Effizienz und Kundenorientierung zum Tragen. Darüber hinaus sei die Bahnreform weder verkehrs- noch haushaltspolitisch ein Erfolg. So seien die Marktanteile im Personenfern- und im Güterverkehr rückläufig. Zudem sei das System Bahn noch weit davon entfernt, eine Wettbewerbsbranche zu sein, da die Marktanteile von Konkurrenten der DB AG selbst im Schienenpersonennahverkehr nur bei fünf Prozent lägen und der überwiegende Teil der Leistungen in diesem Bereich immer noch nicht öffentlich ausgeschrieben werde. Für Hans Leister von der Connex Verkehr GmbH bleibt die aktuelle Trassennachfrage weit hinter den mit der Bahnreform verbundenen Erwartungen zurück, was dramatische Folgen für die Finanzierung des Bestandsnetzes habe. Während man ursprünglich davon ausgegangen sei, dass die laufenden Trasseneinrahmen Betrieb, Instandhaltung und Reinvestitionen vollständig finanzieren würden, so dass der Staat nur noch für Aus- und Neubaumaßnahmen zuständig sein würde, müssten die heute bereitgestellten Finanzmittel auch für Ersatzinvestitionen eingesetzt werden. Für Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, müssen die mit der Bahnreform verbundenen Ziele konkretisiert und an konkreten Indikatoren gemessen werden. In der politischen Öffentlichkeit werde das Thema Börsengang oder Trennung von Netz und Betrieb bislang ohne Einbettung in das übergeordnete verkehrspolitische Ziel diskutiert. Der Bahnexperte Wilhelm Pällmann plädierte für eine schnelle und vollständige materielle Privatisierung der Transportbereiche der DB AG. Anders sehe es dagegen beim Netz aus. Dieses bleibe dauerhaft zuschussbedürftig, da die Trassenentgelte nicht ausreichend seien. Daher sei eine Privatisierung oder ein Börsengang eines integrierten DB-Konzerns mit Netz nicht möglich.
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