"Trotz großer Vorleistungen haben sich die Lebensgrundlagen verschlechtert"
Berlin: (hib/KHB) Trotz großer Vorleistungen der Entwicklungsländer und trotz internationaler Abkommen haben sich alle Daten zur Sicherung der biologischen Vielfalt und der Lebensgrundlagen der Menschen in den vergangenen Jahren verschlechtert. Dennoch gibt es einige ermutigende Trends. Dieses Fazit zogen Umweltfachleute am Mittwochvormittag vor dem Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Achim Steiner von der in der Schweiz ansässigen World Conservation Union (IUCN) sagte, das Artensterben vollziehe sich heute hundert- bis tausendmal schneller als noch vor hundert Jahren. Steiner sprach von einem düsteren Gesamtbild: Ein Viertel aller Säugetiere sei in ihrer Existenz bedroht. Der Klimawandel beeinträchtige bereits die Ökologiesysteme: vor allem Korallenriffe, Bergregionen und die Umwelt in Polarzonen. Die Tier- und Pflanzenwelt werde immer mehr ausgebeutet. Eingewanderte gebietsfremde Arten verbreiteten sich schneller als je zuvor - unvermeidbare Nebenwirkung globalen Handels. Immer mehr Ökosysteme würden zerstört oder gingen verloren und beeinträchtigten nicht nur das Überleben der Tiere sondern auch der Menschen. Steiner lobte die Entwicklungsländer, die in den vergangenen fünfzehn Jahren viele Schutzräume ausgewiesen hätten und sich mehr und mehr mit ihren natürlichen Schätzen identifizierten. Man habe begriffen, dass der Erhalt natürlicher Lebensräume ein großes Kapital sei und der beste Schutz gegen Armut. Doch nun fühlten sich die Entwicklungsländer allein gelassen, weil die zugesagte finanzielle Hilfe der Industrieländer ausbleibe.
Martin Kaiser vom Hamburger Verein Greenpeace sprach vom alarmierenden Zustand der Urwälder und der Meere. Jedes Jahr gingen Wälder verloren, die zusammengenommen der Größe Bayerns, Hessens und Niedersachsens entsprechen. Pro Tag sterben dementsprechend etwa 150 Arten aus und pro Minute verschwänden "allein am Amazonas Urwälder in der Größe von neun Fußballfeldern". Gemessen an diesen globalen Trends sei der deutsche Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit "viel zu gering und ineffizient". Die Bundesregierung solle das Arbeitsprogramm zur Errichtung von Schutzzonen durch weitere finanzielle Zusagen unterstützen. Gehe alles weiter wie bisher, werde die dramatische Verlustrate an Arten, Lebensraum und genetischer Vielfalt noch steigen. Es könne die Demokratisierung vor Ort fördern, wenn Menschen in den betroffenen Gebieten beteiligt würden. Kaiser forderte ein deutsches Urwaldschutzgesetz, das den Import illegal geschlagenen Holzes verbiete. Staaten, die durch illegalen Holzeinschlag Bürgerkriege finanzierten, seien durch ein UN-Handelsembargo auf den internationalen Märkten zu isolieren.
Manfred Niekisch von der Universität Greifswald machte angesichts knapper Kassen strategische Vorschläge: Deutschland müsse die Erhaltung der biologischen Vielfalt und der Lebensräume bei allen Vorgaben in der Entwicklungshilfe berücksichtigen. International müsse es stärker innovative Wege gehen. Er riet zu Trust Funds, um Schutzgebiete langfristig zu finanzieren und dort zugleich Einfluss auf die Entwicklung zu behalten, Grenzüberschreitende Schutzgebiete seien Frieden stiftende Maßnahmen. Auch auf die Bundeswehr kämen völlig neue Aufgaben zu. So seien bei militärischen Einsätzen nicht nur Menschenleben zu retten; vielmehr seien natürliche Lebensräume viel stärker als bisher zu sichern. Hier könnte und sollte die Bundesregierung ein neues Feld internationaler Zusammenarbeit anstoßen.