Kartellamt und Monopolkommission lehnen "Sonderrecht" für die Presse ab
Berlin: (hib/VOM) Das Bundeskartellamt und die Monopolkommission haben sich am Montagnachmittag gegen ein "Sonderrecht" für Presseverlage ausgesprochen. In der Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zur Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ( 15/3640) sagte Kartellamtspräsident Ulf Böge, ein Eingreifen des Staates hätte längerfristige Auswirkungen, die nicht ohne Weiteres revidierbar wären. Die Bundesregierung plant, Anzeigenkooperationen von Presseunternehmen vom Kartellverbot freizustellen und die Fusion von Zeitungen und Zeitungsverlagen unter bestimmten Voraussetzungen zu ermöglichen, selbst wenn dies zu einer marktbeherrschenden Stellung führt. Damit will die Regierung nach eigenen Angaben die vielfältige deutsche Presselandschaft unter veränderten wirtschaftlichen Bedingungen und trotz der Konkurrenz anderer Medien erhalten. Durch die Erhöhung der so genannten Aufgreifschwelle von 25 Millionen Euro auf 50 Millionen Euro würden sich gegenüber dem Status quo rund 50 Zeitungsverlage (ohne Anzeigenblätter) kontrollfrei zusammenschließen können. Durch die Einführung einer Bagatellklausel von 2 Millionen Euro könnten zudem 30 selbstständige Zeitungsverlage kontrollfrei aufgekauft werden. Böge sagte, wenn die Marktmacht nicht mehr das entscheidende Kriterium bei einer Fusion sei, habe man ein Sonderrecht. Professor Martin Hellwig von der Monopolkommission sah in erster Linie konjunkturelle Gründe für die dramatische Entwicklung auf dem Zeitungsmarkt. Gerade in dieser Branche habe sich die Fusionskontrolle bewährt. Es sei problematisch, für einen Sektor ein eigenes Wettbewerbsrecht zu schaffen.
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck sprachen dagegen von einer strukturellen Krise, von gewaltigen Einbrüchen im Anzeigengeschäft, Auflagenrückgang und verändertem Konsumentenverhalten - weg von den Print- und hin zu den elektronischen Medien. Die Lockerung der Fusionsregelungen sei daher zu begrüßen. Hermann Balle vom Straubinger Tagblatt befürwortete Anzeigenkooperationen, während Josef Propst, Verlagsgeschäftsführer bei Axel Springer, in ihnen kein Allheilmittel sah. Erforderlich sei vielmehr Sicherheit im ordnungspolitischen Rechtsrahmen. Der Deutsche Journalistenverband plädierte für Umsatzschwellen, bis zu denen Kooperationen akzeptiert werden können.
Im Mittelpunkt des vorangegangenen ersten Teils der Anhörung stand die Anpassung des deutschen Kartellrechts an das europäische Wettbewerbsrecht. Wie im europäischen Recht werde dabei das bisherige Anmelde- und Genehmigungssystem für Vereinbarungen, die den Wettbewerb beschränken, abgeschafft und durch ein System der "Legalausnahme" ersetzt. Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen gälten danach automatisch als freigestellt, wenn sie die Voraussetzungen des EG-Vertrages erfüllen. Die Sachverständigen begrüßten diese Systemumstellung. Begründet wurde dies überwiegend mit dem Erfordernis einheitlicher Regelungen. Nach Meinung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hilft die Legalausnahme, Bürokratie abzubauen. Allerdings sei sie auch mit Rechtsunsicherheit verbunden, unter der kleine und mittlere Betriebe leiden könnten. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) plädierte dafür, Deutschland solle keinen Sonderweg gehen. Kleine und mittlere Unternehmen würden nicht benachteiligt. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes und des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes gibt es zur Legalausnahme keine Alternative. Die privatrechtlichen Möglichkeiten, Kartellverstöße zu verfolgen, würden gestärkt. Es werde eine Verbandsklage und die Möglichkeit eingeführt, Gewinne aufgrund von Kartellbildungen abzuschöpfen. Während der DIHK den Anspruch des Bundeskartellamtes und von Verbänden, Mehrerlösvorteile abzuschöpfen, ablehnte, argumentierte Kartellamtspräsident Böge, dass Mehrerlöse nicht bei den Kartellteilnehmern verbleiben dürften. Der BDI plädierte darüber hinaus dafür, künftig auch auf die Missbrauchsaufsichtsregelungen, einem "deutschen Sonderweg", zu verzichten. Eine Diskriminierung deutscher Unternehmen sollte vermieden werden, so der BDI. Der DIHK sprach sich dagegen für ein Festhalten an der Missbrauchsaufsicht aus.