Kritik an Beitragserhöhung bei Betriebsrenten
Berlin: (hib/KOS) Auf deutliche Kritik stößt bei zahlreichen Sachverständigen die zu Jahresbeginn bei Betriebsrenten vorgenommene Verdoppelung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Zuge des Modernisierungsgesetzes zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Bei einer Anhörung des Gesundheits- und Sozialausschusses am Mittwochmittag zu einem Antrag der FDP-Fraktion ( 15/2472), diese Anhebung wieder rückgängig zu machen, beklagten mehrere Experten, dass die Zusatzbelastung den allseits gewünschten Ausbau der betrieblichen Altersversorgung als Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung für viele Arbeitnehmer unattraktiv mache. In einer bei dem Hearing vorgelegten Stellungnahme wies der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) darauf hin, dass im Jahr 2004 die Abschlüsse von Direkt- und Pensionskassenversicherungen bereits massiv zurückgegangen seien. Trotz weithin übereinstimmender Kritik an der Beitragserhöhung für Betriebsrenten wurden bei der Anhörung auch grundsätzliche Differenzen über das Gesundheitswesen sichtbar, so etwa bei Arbeitgebern und Gewerkschaften.
Nach Angaben des Sozialverbands VdK und der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) gab es wegen der Verdoppelung der Beiträge für Betriebsrenten, deren Belastung im Schnitt von sieben auf knapp 14 Prozent und damit auf die Höhe des vollen Krankenkassenbeitrags stieg, einen enormen Ansturm von Telephonanfragen Betroffener, die großen Unmut über diese faktische Kürzung ihrer Versorgungsbezüge äußerten. Laut aba-Sprecher Klaus Stiefermann beziehen bundesweit rund 7,5 Millionen Personen Betriebsrenten von durchschnittlich 200 bis 300 Euro monatlich. Wie Stefan Sieben vom Verband der Angestellten-Krankenkassen erläuterte, werden sich die Mehreinnahmen der gesetzlichen Krankenkassen als Folge der zusätzlichen Belastung der Betriebsrenten im Jahr 2004 auf rund 1,9 Milliarden Euro belaufen, was rechnerisch eine Senkung des Kassenbeitrags um 0,2 Prozentpunkte erlaube.
Für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) räumte Eugen Müller ein, dass als Konsequenz der von der FDP geforderten Reduzierung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für Betriebsrenten auf das frühere Niveau des halben Kassenbeitrags dann in der GKV Geld fehlen würde: "Das ist ein Problem." Ohnehin reduzierten sich die Beiträge der gesetzlichen Kassen nicht in dem Maße, wie dies aus wirtschaftlichen Gründen eigentlich notwendig und mit der Gesundheitsreform geplant gewesen sei. Man müsse, stimmte der BDA-Sprecher den anderen Sachverständigen zu, aber auch verhindern, dass wegen der hohen Beitragsbelastung der Betriebsrenten der Ausbau der betrieblichen Altersversorgung gebremst wird. Wie der GDV und aba-Repräsentant Stiefermann plädierte Müller dafür, das System der Krankenkassenbeiträge für Betriebsrenten analog der nachgelagerten Besteuerung bei der gesetzlichen Rente zu handhaben. Danach sollen, wie der GDV erläuterte, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerzahlungen in die betriebliche Altersversorgung beitragsfrei gestellt werden, wenn auf die im Alter ausgezahlten Betriebsrenten Beiträge erhoben werden. BDA-Vertreter Müller und Andreas Zimmermann von der Union Leitender Angestellter machten sich im Übrigen dafür stark, das Gesundheitssystem gänzlich umzugestalten, die Kassenprämien vom Lohn zu entkoppeln und stattdessen eine einheitliche Pauschale unabhängig von der Einkommenshöhe des jeweiligen Beitragszahlers einzuführen.
Von einem "fatalen Ansehensverlust, den die betriebliche Altersversorgung durch die zusätzliche Beitragsbelastung erlitten hat", spricht der Deutsche Gewerkschaftsbund. In einer Stellungnahme setzte sich der DGB dafür ein, "diese Regelung zurückzunehmen oder zumindest lange Übergangsfristen vorzusehen". Ein solcher Schritt wäre ein "wichtiges Signal", um bei den Arbeitnehmern die Bereitschaft zu erhöhen, Geld für die zusätzliche Altersvorsorge auf betrieblicher Ebene zu investieren. Allerdings kritisiert der DGB die FDP, deren Vorstoß zur Rücknahme der Beitragsverdoppelung auf Betriebsrenten nicht auf der Basis der solidarisch organisierten GKV stehe. Vielmehr wolle die FDP, so der Vorwurf des DGB, die gesetzliche Krankenversicherung privatisieren, was zu einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung der Versicherten führen würde.