Rechtsausschuss
Berlin: (hib/JOH) "Eine große Herausforderung für
Frankreich" nannte Pascal Clément, Vorsitzender des
Ausschusses für Verfassungsgesetze, Gesetzgebung und
allgemeine Verwaltung der Assemblée Nationale, die Umsetzung
der Europäischen Antidiskriminierungsvorschriften in seinem
Land. Auf einer Sitzung mit dem Rechtsausschuss des Deutschen
Bundestages unter dem gemeinsamen Vorsitz von Clément und
Andreas Schmidt (CDU/CSU), betonte Clément, Frankreich habe
in den vergangenen zwei Jahren die Gesetzgebung im Bereich
Antidiskriminierung erheblich verstärkt und damit die
Integrationsfähigkeit schrittweise verbessert. So sei der
Gesetzentwurf zur Schaffung einer Antidiskriminierungsbehörde
bereits in erster Lesung von der Nationalversammlung angenommen
worden. Auch soll künftig laut dem französischen Gesetz
die "Anstachelung zu Diskriminierung, Hass oder Gewalt
gegenüber Menschen auf Grund ihrer geschlechtlichen oder
sexuellen Orientierung" unter Strafe gestellt werden. Die
europäische Direktive vom 29. Juli 2000 zum Prinzip der
Gleichbehandlung sei so im Wesentlichen umgesetzt worden. Das
französische Rechtssystem, erklärte Clément,
reagiere zum einen repressiv, indem es Diskriminierung deutlich
bestrafe und potenzielle Täter abschrecke. Zum anderen seien
aktive Instrumente geschaffen worden, um Gleichbehandlung und
Gleichstellung zu fördern und schwächere Teile der
Gesellschaft gegenüber stärkeren zu schützen. Das
mutmaßliche Opfer müsse nach französischem Recht
nicht die Beweislast tragen. Nach dem Prinzip der umgekehrten
Beweislast obliege es vielmehr der anderen Seite, ihre Unschuld zu
beweisen. Zum Beispiel sei dies der Fall, wenn es tatsächlich
objektive Gründe für eine Kündigung einer Person
gegeben habe. Über Recht und Unrecht entscheide dann eine
höhere richterliche Instanz, sagte Clément weiter. Die
SPD-Fraktion begrüßte diesen Weg und betonte,
Antidiskriminierungsgesetze seien weniger ein strafrechtliches
Problem als der Versuch, das Zusammenleben der Menschen mit
rechtlichen Instrumentarien zu begleiten. Sie sollten sich gegen
Diskriminierungen zur Wehr setzen können sowie Beistand und
Unterstützung erfahren, insbesondere im Verlauf von Prozessen.
Es bedürfe dringend weiterer Reformen und notwendiger
Ergänzungen, so die SPD-Abgeordneten weiter. Die
CDU/CSU-Fraktion brachte ihre Zweifel an der Praktikabilität
solcher Gesetze zum Ausdruck. Die strafrechtliche Verfolgung treffe
vermutlich eher "die Dummen als die Bösen". Auch seien solche
Maßnahmen letztlich nicht geeignet, um einen
Mentalitätswandel in der Bevölkerung herbeizuführen.
Die FDP-Fraktion kritisierte, das Prinzip der umgekehrten
Beweislast sei ein "außerordentlich problematischer Weg".
Zudem sei die Errichtung einer Behörde nicht das rechte
Mittel, um Toleranz und Respekt gegenüber Minderheiten zu
fördern. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen warf
die Frage des sachlichen Differenzierungsgrundes auf. Wem obliege
es zu beweisen, dass eine bestimmte Maßnahme gerechtfertigt
sei und keine Diskriminierung darstelle? Als Beispiel nannten sie
den Umgang mit Religionsgemeinschaften. Pascal Clément
machte auch im Namen seiner französischen Kollegen deutlich,
dass sich der Kampf gegen die Diskriminierung nicht nur auf Gesetze
gründen lasse. "Gesetze können viel, aber nicht alles".
Viel wichtiger sei es, den Umgang mit Minderheiten langfristig zu
verbessern und durch die Gesetzgebung "nach und nach das Denken des
Einzelnen" zu verändern.