Zeitpunkt der Sozialversicherungspflicht von EU-Saisonarbeitern noch zu klären
Berlin: (hib/SAS) "Wir wollen helfen, Probleme bei der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen von Saisonarbeitskräften aus osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten für das Jahr 2004 zu klären", bestätigte ein Vertreter der Bundesregierung gegenüber dem Verbraucherschutzausschuss am Mittwochmittag. Dabei könne die Bundesregierung allerdings nicht Adressat von Forderungen sein, es gehe lediglich darum, den betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben Hilfestellung zu geben. Er deutete an, dass die bis zum Beitritt osteuropäischer Staaten in die EU am 1. Mai vergangenen Jahres gültigen Regelungen für Saisonarbeitnehmer möglicherweise auf das gesamte Jahr 2004 ausgedehnt werden. Zweifel hegte er, ob dies auch für 2005 gelten könne, da bereits Saisonarbeiter mit Vordrucken zum Abführen von Lohnnebenkosten etwa zum Spargelstechen hierzulande erschienen seien. Seit dem Beitritt von Ländern wie Polen, Tschechien oder der Slowakei gelte für Saisonarbeitskräfte die Sozialversicherungspflicht nach den Regelungen ihres Heimatlandes und nicht des Landes, in dem sie eingesetzt würden. Im Herbst vergangenen Jahres sei die Brisanz des Themas öffentlich geworden: Für polnische Hilfsarbeitskräfte, die bei der Ernte auf hiesigen Feldern eingesetzt wurden, hätte einen Anteil von 28 Prozent an Lohnnebenkosten entrichtet werde müssen, wenn diese auch in ihrem Heimatland als sozialversicherungspflichtig galten. Das Bundesgesundheitsministerium verhandle nun über die rückwirkende Zahlungsverpflichtung mit seinem polnischen Gegenüber, weil diese Beträge offensichtlich nicht entrichtet worden seien.
Für eine "kurzfristige Lösung" der Problematik trat die Vorsitzende des Verbraucherschutzausschusses, Herta Däubler-Gmelin (SPD), ein. Wie auch die CDU/CSU-Fraktion hielt sie es für notwendig, "Spitzen" in der Landwirtschaft mit Saisonregelungen abzufangen, rief aber dazu auf, die reguläre Arbeit mit deutschen Arbeitnehmern zu bewältigen. Dabei dürfe insbesondere die strukturelle Arbeitslosigkeit nicht aus dem Blick geraten. In diesem Zusammenhang seien die Landwirte gehalten, auch über flexiblere Arbeitszeitmodelle, etwa über Jahresarbeitszeitkonten, nachzudenken. Union und FDP hatten für 2004 und 2005 einen "Vertrauensschutz" für die betroffenen Landwirte gefordert und für eine Einigung mit Polen plädiert, in diesem Zeitraum auf entsprechende Beitragszahlungen zu verzichten. Letztlich sei die Informationslage nicht ganz klar gewesen. So hätten sich selbst Vertreter der Bundesagentur für Arbeit und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte überzeugt gezeigt, dass für polnische Hilfsarbeitskräfte aufgrund einer im Zuge der EU-Erweiterung geltenden Übergangsregelung bis 2011 auch weiterhin das deutsche Recht gelte. Demzufolge hätten Landwirte "vollkommen legitim" vom Instrument der geringfügigen Beschäftigung Gebrauch gemacht und für eine zweimonatige Hilfstätigkeit polnische Saisonarbeiter sozialversicherungsfrei eingestellt. Bei vom Arbeitsamt zugewiesenen deutschen Arbeitskräften hätten Landwirte eine mangelnde Motivation und geringe Ausdauer festgestellt. Weiter äußerte die Union die Befürchtung, dass Arbeitsplätze verloren gingen, wenn man im Sonderkulturanbau (Wein oder Spargel) nicht auf Saisonarbeiter zurückgreifen könne.
Bündnis 90/Die Grünen äußerten ihr Unverständnis über Bemerkungen des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, deutsche Arbeitslose seien den Bauern auf den Feldern nicht zuzumuten. Man habe sich in der Landwirtschaft seit Jahrzehnten keinen Gefallen getan, hier nur auf Billigarbeitskräfte zu setzen. Es müsse darum gehen, mehr qualifizierte Menschen zu finden und diese entsprechend zu bezahlen und nicht deutsche Arbeitnehmer zu denunzieren. Man strebe im europäischen Kontext eine Gleichstellung von Arbeitskräften an.