Rechtsausschuss (Anhörung)/
Berlin: (hib/BOB) Eine Mehrheit der Sachverständigen hat es
begrüßt, dass eine Gesetzeslücke bei der
Sicherungsverwahrung gefährlicher Straftäter in
Ostdeutschland geschlossen werden soll. Eine solche Verwahrung war
nur ab August 1995 möglich, da vor diesem Zeitpunkt der
Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
DDR eine solche Regelung ausschloss. Nun soll eine solche Regelung,
die von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) erarbeitet
wurde, innerhalb eines Gesetzes zur Reform der
Führungsaufsicht untergebracht werden, um ein schnelles
Inkrafttreten zu sichern. Die geplante Neuregelung sei notwendig,
machte der sachsen-anhaltinische Generalstaatsanwalt Jürgen
Konrad deutlich. Im Interesse der Sicherheit unserer
Bevölkerung müsse jeder gefährliche Straftäter,
der ausschließlich wegen einer bestehenden Gesetzeslücke
in Freiheit entlassen werden müsste, einer zuviel sein. Im
Übrigen müsse man darauf hinweisen, dass die
Sicherungsverwahrung nicht der Verlängerung einer bereits
verhängten Strafe, sondern ausschließlich der Sicherheit
der Bevölkerung diene. Sein thüringischer Kollege Michael
Haußner war ebenfalls der Ansicht, dass die Lücke
geschlossen werden müsse. Dies verhindere, dass eine
zufällig entstandene zeitliche Konstellation von Tat und
Urteil darüber entschiede, ob nachträgliche
Sicherungsverwahrung möglich ist oder nicht. Auch hielt
Haußner die vorgesehene Regelung für
"verfassungsrechtlich unproblematisch". Der Leitende
Oberstaatsanwalt aus Frankfurt an der Oder, Carlo Weber,
befürwortete ebenfalls das Schließen der
Gesetzeslücke nachdrücklich. Etwas anderes ist seiner
Meinung nach weiten Teilen der Bevölkerung nicht vermittelbar.
Gerhard Altvater, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, vertrat die
Ansicht, das verfassungsrechtliche Risiko einer solchen Neuregelung
sei als gering einzuschätzen. Es sollte jedoch erwogen werden,
die bereits jetzt sehr unübersichtlichen Regelung zur
Unterbringung eines Straftäters in der Sicherungsverwahrung
durch "eine in sich schlüssige und leichter verständliche
Neuregelung zu ersetzen". Herbert Veh, Präsident des
Amtsgerichts Augsburg, sah ebenfalls Handlungsbedarf des
Gesetzgebers. Wenn Anzeichen für die Gefährlichkeit des
Täters bereits zum Zeitpunkt der Verurteilung besonders
deutlich gewesen wären, mit wesentlich neuen Erkenntnissen aus
dem anschließenden Strafvollzug also umso weniger zu rechnen
sei, könne in den genannten "Altfällen" (also vor August
1995) Sicherungsverwahrung nachträglich gerade nicht
verhängt werden. Diese Lücke gelte es zu schließen.
Auch verfassungsrechtlich sah Veh keine Bedenken. Zweifel an dem
Vorhaben äußerten dagegen die von Oppositionsfraktionen
benannten Experten. Professor Joachim Renzikowski wiederholte seine
grundsätzlichen Bedenken gegen die Sicherheitsverwahrung. Der
Sachverständige kritisierte, dass mit der Ergänzung ein
grundlegender Wandel der nachträglichen Sicherungsverwahrung
verbunden sei. Es komme nicht mehr auf "neue Tatsachen" an, sondern
es würden frühere gesetzgeberische Entscheidungen
korrigiert. Zudem sei eine nachträgliche Sicherungsverwahrung
mit dem durch die Europäische Menschenrechtskonvention
verbürgten Freiheitsrecht unvereinbar. Auch Thomas Ullenbruch,
Richter am Amtsgericht Emmendingen, sah die Regelung als "hoch
problematisch" an. Unter anderem verstoße sie gegen das
allgemeine Vertrauensschutzgebot. Professor Jörg Kinzig von
der Universität Tübingen hielt es für fraglich, ob
ein Zugewinn an Sicherheit für die Bevölkerung entsteht.
Der neu gestaltete Paragraf zur nachträglichen Anordnung der
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sei in der vorliegenden
Form abzulehnen. Die geplanten Ausweitungen dieser Vorschrift
verstärkt seines Erachtens die bereits jetzt bestehenden
verfassungs- wie menschenrechtlichen Bedenken.