Experte: Flugsicherung durch ausländische Unternehmen ist verfassungswidrig
Berlin: (hib/HIL) Die Flugsicherung durch ausländische Unternehmen über deutschem Hoheitsgebiet in Grenzregionen ist verfassungswidrig. Das sagte Joachim Wieland, Professor für öffentliches Recht an der Universität Frankfurt, am Mittwochvormittag im Verkehrsausschuss. Beispielhaft nannte Wieland die Flugsicherung im südlichen Schwarzwald durch das schweizerische Unternehmen "Skyguide". Dies sei eine privatrechtliche Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich. In Artikel 87d des Grundgesetzes sei allerdings festgelegt, dass die deutsche Luftverkehrsverwaltung in "bundeseigener Verwaltung" betrieben werden müsse. Bei Skyguide und anderen ausländischen Unternehmen, beispielsweise an der deutsch-dänischen Grenze, sei das nicht der Fall. Die Bundesregierung sagte zur Aufforderung der FDP, Verträge, die diese verfassungswidrige Situation hervorriefen, müssten gekündigt werden, es gebe solche Verträge nicht. Die aktuelle Praxis habe sich in über 50-jähriger Zusammenarbeit in der Grenzregion so entwickelt.
Wieland wies außerdem auf den derzeit bestehenden grundsätzlichen Konflikt zwischen deutschem Recht und Europarecht hin. Nach den europäischen Vorgaben des "Single European Sky" (SES), mit denen ein einheitlicher europäischer Luftraum geschaffen werden soll, ist die Flugsicherung eine Dienstleistung und keine hoheitliche Aufgabe, wie in Deutschland. Lediglich der Kernbereich der Verkehrsdienste, beispielsweise die Abwicklung von Starts und Landungen, dürfe demnach noch hoheitlich betrieben werden. Alle anderen Aufgaben, die derzeit die Deutsche Flugsicherung (DFS) anbietet, Navigationsdienst, Beratungsdienst und technischer Dienst, dürfe nach europäischem Recht nicht so bleiben wie bisher. Momentan bestehe die Gefahr, dass ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet werden könne, weil Deutschland die europarechtlichen Vorgaben nicht umsetze. Um diese Vorgaben zu erfüllen, müsse zudem "umgehend" ein Bundesamt für Flugsicherung eingesetzt werden, sagte Wieland.
Die Verankerung der Flugsicherung im Grundgesetz ist nach Aussage von Wieland eine deutsche Besonderheit. "Flugsicherung ist eigentlich keine Sache für das Grundgesetz", so der Jurist. Der Grund für die Aufnahme ins Grundgesetz liege im bundesstaatlichen System Deutschlands. Wäre die Flugsicherung nicht im Grundgesetz verankert, wäre sie in der Verantwortung der Länder zu regeln, das habe man mit der Aufnahme ins Grundgesetz verhindern wollen, sagte Wieland. Es handle sich hierbei allerdings um so genanntes technisches Recht, das eher zufällig in die Verfassung gerutscht sei, versuchte Wieland den Linken und der SPD die Bedenken gegen eine Verfassungsänderung, die Wieland als "notwendig" bezeichnete, zu nehmen. CDU, FDP und Grüne zeigten sich einer solchen Änderung gegenüber aufgeschlossen.
Nach Aussage des Experten existieren drei denkbare Modelle zur Privatisierung der DFS: Beim so genannten "Verwaltungsmodell" bleibt die DFS als Teil der öffentlichen Verwaltung erhalten, beim "Dienstleistungsmodell" wird die Flugsicherung als Dienstleistung an private Unternehmen übergeben und der Bund übernimmt deren Aufsicht. Das von ihm selbst entwickelte so genannte "Gefahrenabwehrmodell" sei eine Mischung aus den beiden anderen Modellen, sagte Wieland.