Experten zweifeln am Zeitpunkt für den Steinkohleausstieg
Berlin: (hib/HAU) Ob ein sozialverträglicher Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlebergbau im Jahr 2018 oder eventuell auch schon eher möglich wäre, ist unter Sachverständigen umstritten. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss am Montagnachmittag deutlich. Grundlage der Diskussion waren zwei wortgleiche Gesetzentwürfe der Bundesregierung ( 16/6566) und der Koalitionsfraktionen ( 16/6384). Darin werden unter anderem die Beiträge des Bundes zur Finanzierung des Auslaufprozesses der Steinkohleförderung ab 2009 geregelt. Im Jahr 2012 ist eine Überprüfung der getroffenen Vereinbarungen durch den Bundestag vorgesehen. Ebenfalls auf der Tagesordnung standen Anträge der FDP-Fraktion ( 16/5422) und der Fraktion Die Linke ( 16/6392).
Werner Müller, Vorstandsvorsitzender der Evonik Industries AG, sieht durch das vorliegende Gesetz die Voraussetzungen für das Umstrukturierungskonzept des ehemaligen RAG-Konzerns geschaffen. Durch den Erblastenvertrag zwischen der neu gegründeten RAG-Stiftung sowie den Ländern Nordrhein Westfalen und Saarland seien die Fragen der so genannten Ewigkeitslasten gelöst worden und ein Börsengang der Evonik Industries AG möglich. Ziel sei es, so Müller, ein stabiles, wachstumsorientiertes Unternehmen zu schaffen, dass "auf dem Strommarkt bemerkbar" sei. Auch Wilhelm Bonse Geuking, Vorstandsvorsitzender der RAG-Stiftung, sieht durch das Gesetz die Umsetzung des "politisch gewünschten" Prozesses der Beendigung des Steinkohlebergbaus gewährleistet. Die Stiftung habe die Aufgabe, den sozialverträglichen Anpassungsprozess bis 2018 zu unterstützen und die Ewigkeitslasten nach der Stilllegung der Bergwerke zu finanzieren. Sowohl Müller als auch Bonse Geuking lehnten einen Ausstieg vor 2018 ab. Dies sei ohne betriebsbedingte Kündigungen nicht zu schaffen. Vor "nicht abschätzbaren Risiken" warnte der Bundesrechnungshof. Trotzdem in den Gutachten zur Höhe der Ewigkeitskosten der "Worst Case" eingeplant wurde, könnten zusätzliche Kosten entstehen. Die Politik müsse entscheiden, ob sie darauf mehr Einfluss nehmen wolle.
Als eine "ernst gemeinte Option" bezeichnete die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie die für 2012 geplante Überprüfung der Vereinbarungen. Zwar nehme man zur Kenntnis, dass der Steinkohlebergbau "politisch nicht mehr gewollt" sei. Dennoch könne 2012 auch die Entscheidung für eine Weiterführung des Steinkohlebergbaus gefällt werden. Niemand wisse derzeit, so Bernd Tönjes, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Steinkohle AG, wie sich die Energiepreise bis 2012 entwickeln würden. Daher sei die Überprüfungsklausel ernst zu nehmen. Keinesfalls akzeptabel seien Überlegungen, schon 2012 aus der Steinkohleförderung auszusteigen. Dies hätte 11.000 Kündigungen zur Folge. Professor Dieter Schmitt von der Universität Duisburg-Essen hingegen bezeichnete einen Ausstieg schon 2012 als "nicht unmöglich". Den betriebsbedingten Kündigungen stünden eingesparte Subventionen in Höhe von 12 Milliarden Euro gegenüber. Das sei eine Million pro Mitarbeiter, die in neue Arbeitsplätze investiert werden könnten. Ein auf das Jahr 2012 vorgezogener Ausstieg aus der Steinkohleförderung, so Professor Christoph Schmidt vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, sei im Interesse des Umweltschutzes zu begrüßen und könnte zur Einsparung von 7,5 Millionen Tonnen an Klimagasen führen. Die eingesparten Subventionen, so Schmidt, könnten in die Entwicklung erneuerbarer Energien investiert werden.