Experten lehnen Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht mehrheitlich ab
Berlin: (hib/HAU) Für die Streichung der Optionspflicht und eine weitergehende Akzeptanz der Mehrstaatlichkeit plädierte die Mehrheit der Sachverständigen während einer öffentlichen Anhörung im Innenausschuss am Montagnachmittag. Grundlage des Hearings war ein Gesetzentwurf des Bundesrates ( 16/5107) sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ( 16/2650), ebenso wie ein Antrag der Linksfraktion ( 16/1770). Während sich der Bundesrat für Sprach- und Einbürgerungstests ausspricht, fordern die Grünen verkürzte Einbürgerungsfristen und mehr Schutz für Staatenlose. Auch die Linksfraktion plädiert für eine erleichterte Einbürgerung.
Professor Uwe Berlit aus Leipzig forderte ein Umdenken "gegen die Verschärfung der Einbürgerungsanforderungen". Er sprach sich dafür aus, den "Optionszwang" abzuschaffen, der von volljährig werdenden Ausländern eine Entscheidung zwischen der Annahme der deutschen und der Beibehaltung der von Geburt aus erlangten Staatsbürgerschaft fordert. Es sei integrationspolitisch geboten, eine moderate Erweiterung der Mehrstaatlichkeit zuzulassen. Professor Kay Hailbronner von der Universität Konstanz sieht die von Grünen und Linken vorgeschlagene Reduzierung der für eine Einbürgerung erforderliche Aufenthaltsdauer von acht auf sechs Jahre als "nicht sinnvoll" an. Schon jetzt sei eine deutliche Verkürzung bei Vorliegen "besonderer Integrationsleistungen" möglich. Auch Hailbronner sieht die aus Mehrstaatlichkeit resultierenden Probleme als "überschätzt" an. Vielmehr müsse es darum gehen, den Einbürgerungsvoraussetzungen mehr Gewicht zu geben. Die Privilegierung von Staatenlosen und politisch Verfolgten bei der Einbürgerung sieht Professor Rainer Hofmann von der Universität Frankfurt am Main als "geboten" an. Die Abschaffung des Optionsmodells verbunden mit der Hinnahme von Mehrstaatlichkeit sei aus seiner Sicht sinnvoll und würde europaweit inzwischen auch immer öfter praktiziert. Als "wichtig" bezeichnete Hofmann den Nachweis von Sprachkenntnissen im Rahmen der Einbürgerung. Martin Jungnickel vom Hessischen Innenministerium sieht den derzeitig herrschenden "Schwebezustand" bei der Feststellung des Erwerbs der deutschen Staatsbürgerschaft als "äußerst unbefriedigend" an. Abhilfe ließe sich dadurch schaffen, in dem man festlege, dass derjenige die deutsche Staatsbürgerschaft durch Geburt erwerbe, dessen Elternteil bereits in Deutschland geboren wurde und hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Als eine "erneute Verschärfung" der Einbürgerungsvoraussetzungen lehnt Memet Kilic, Vorsitzender des Bundesausländerbeirats, die Bundesratsinitiative ab. "Sinn und Zweck" von Einbürgerungskursen sei nach wie vor unklar. Seiner Ansicht nach werde das Ziel verfolgt, nur Hochgebildete einzubürgern. Dies sei jedoch "diskriminierend" gegenüber weniger qualifizierten Einbürgerungswilligen. Dem Bundesrat und der Union warf Kilic vor, in Deutschland aus einer "postreligiösen Gesellschaft" eine "religiöse Gesellschaft" machen zu wollen. Rechtsanwalt Reinhard Marx aus Frankfurt am Main glaubt in den Bundesratsvorschlägen ein "Unbehagen an der Einräumung von Rechtsansprüchen im Bereich der Einbürgerung durchschimmern zu sehen". So könne man die Schere zwischen langfristig integrierten Ausländern und deutschen Staatsbürgern nicht schließen, sagte Marx. Es gelte vielmehr, im Interesse des sozialen Friedens, "faktisch integrierten Ausländern" die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft zu erleichtern. Die Streichung der Optionspflicht sieht Astrid Wallrabenstein von der Universität Gießen nicht nur als "rechtspolitisch wünschenswert" sondern auch als "verfassungsrechtlich geboten" an. Es dürfe nicht eine bestimmte Gruppe von Staatsangehörigen verpflichtet werden, ihre "Hinwendung zum deutschen Staat durch eine Entscheidung bei Volljährigkeit zu bezeugen", so Wallrabenstein.