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Europa:
Europa ist überall ? Europäische Gesetze regeln den
Alltag, Euro-Münzen klimpern im Portemonnai. Aber was bedeutet
es eigentlich, zu Europa zu gehören? Hat Europa eigentlich
Grenzen und wie sieht die Zukunft der Europäischen Union aus?
GLASKLAR hat sich in Europa umgesehen. In der aktuellen Ausgabe
lest ihr unter anderem, was EU-Richtlinien mit Glück in der
Liebe zu tun haben, wie junge Leute heute grenzenlos arbeiten,
lernen oder ihrem eigenen Film drehen und was Menschen von anderen
Kontinenten so alles über Europa denken.
www.glasklar-bundestag.de
Politik aktiv gestalten:
Mitmischen.de ist das Jugendforum des Deutschen Bundestages im
Internet. Die Plattform bietet Chats mit Abgeordneten des
Bundestages, Diskussionsforen, Abstimmungen, Nachrichten und
Hintergrundberichte zu aktuellen politischen Themen.
www.mitmischen.de
von Rolf-Dieter Krause
Es wird eine schöne Feier werden. Ach was: Viele schöne, rauschende Feste werden es sein. Wenigstens das. In der Nacht vom 30. April zum 1. Mai 2004 wird die Europäische Union ihre zehn neuen Mitglieder begrüßen. Und wenn die Freudenraketen nicht vor Scham im Flaschenhals stecken bleiben, dann wird Europa sich noch einmal in der Illusion der großen, freundschaftlichen, buchstäblich allumfassenden Umarmung wiegen.
Im Alltag wird das europäische Haus zwar größer, aber es ist immer noch eine Hütte, und die brennt. Das Wohlstandsgefälle in der EU wird nach dem Beitritt der zehn Neulinge steiler sein denn je. Die Zustimmung der Bevölkerung zur europäischen Integration schwindet fast flächendeckend. Die politische Methodik der EU – spätestens die gescheiterten Verhandlungen über die Verfassung machten es offenbar – hat sich erschöpft. Die Lösung der wirtschaftlichen Probleme ist weit entfernt. Europas Finanzierung: umstrittener denn je. Seine Rolle in der Welt? Mehr Wollen als Können ...
Gute Aussichten also? Gute Aussichten! Die Probleme türmen sich so, dass niemand mehr an ihnen vorbeisehen kann. Die jahrzehntelange und übrigens oft sogar erfolgreiche Praxis, nach vollmundigen Ankündigungen eher mittelmäßige Ergebnisse zu erzielen – sie ist ausgereizt. Europa muss sich seiner Realität und damit auch seinen Konflikten stellen. Und das Scheitern des Brüsseler Gipfels spricht dafür, dass es damit schon begonnen hat.
Der europäische Graben verläuft nicht zwischen großen und kleinen Mitgliedstaaten, nicht zwischen alten und neuen, nicht einmal zwischen armen und reichen. Er verläuft zwischen denen, die nur sich bereichern wollen, und jenen, die Europa bereichern. Zwischen denen, die Europa als große Kasse missverstehen, und jenen, die es als historisches, als politisches Projekt begreifen. Zwischen denen, die den eigenen Vorteil notfalls auch auf Kosten von Partnern suchen, und jenen, die darauf vertrauen, dass der Vorteil des ganzen Europas den eigenen Vorteil dauerhafter sichert. Zwischen denen, die von der eigenen Souveränität nicht lassen wollen, und jenen, die sie zumindest dann gern preisgeben, wenn der Vorteil gemeinsam ausgeübter Souveränität überwiegt. Europa hat darüber nie diskutiert. Nicht, dass es an Äußerungen zu Europas Selbstverständnis gefehlt hätte. Aber an Vereinbarungen. Sie waren entbehrlich, solange Europa auf seinem pragmatischen Weg mal stolperte, mal schritt, aber immer irgendwie vorankam. Nur eine Verfassung konnte so nicht entstehen.
Warum soll das in ein paar Monaten anders sein? Ist es überhaupt wünschenswert, dass Polen oder Spanien unter irgendeinem Druck beidrehen? Und umgekehrt: Warum sollen Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg und andere resignieren und ihre europäische Ambition vergessen?
Der europäische Prozess muss offen sein für jene, die daran teilnehmen wollen. Aber er darf niemanden überfordern. Wenn ein Land wie Polen sich fürchtet, seine gerade gewonnene Souveränität schon wieder preiszugeben, dann verdient dies jeden Respekt. Aber man darf dann auch verlangen, dass es sich nicht einer „immer enger werdenden Union“ anschließt, die genau das verlangt. Niemand hat das Recht, ein Land zu etwas zu treiben, das es nicht will. Aber dieses Land hat umgekehrt nicht das Recht, andere an dem zu hindern, das sie wollen.
Dem Willen der Staaten und Völker Europas ist ganz offensichtlich mit nur einer Geschwindigkeit nicht mehr zu dienen. Es gibt keinen Grund mehr, daran festzuhalten. Euro- und Schengenland – beide eher notgedrungen nicht identisch mit der ganzen EU – haben gezeigt, dass es anders geht. Es ist an der Zeit, aus der Not eine Tugend zu machen.
Foto: picture-alliance
Rolf-Dieter Krause, 1951 in Lüneburg geboren, begann seine journalistische Laufbahn bei der „Landeszeitung für die Lüneburger Heide“. Es folgten fast zehn Jahre bei der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Seit 1982 arbeitet er für das Fernsehen des WDR. Nach Stationen in Bonn und Brüssel leitet er seit Mai 2001 das ARD-Studio Brüssel. 1992 erschien im Heyne Verlag sein Buch „Europa auf der Kippe – 14 Argumente gegen den Vertrag von Maastricht“. www.ard.de/korrespondentenwelt |