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Die Sommerpause ist für Bundestagsabgeordnete die Zeit, in der sie nach- und vordenken können, im Wahlkreis unterwegs sind, sich erholen und auf die nächsten anstrengenden Monate im Bundestag vorbereiten. Wenn es dann im September wieder losgeht, wird ein hohes Tempo vorgelegt. Fünf Abgeordnete erzählen, wie sie den Schwung aus ihrem Wahlkreis mitnehmen und den „heißen Herbst“ im Parlament angehen.
Zuerst abgetaucht und dann an die Öffentlichkeit gegangen ist der Abgeordnete Jens Koeppen von der CDU/CSU. So lässt sich das Sommerprogramm des 43-jährigen Unternehmers beschreiben. Erholt hat er sich beim Tauchen, und dann ist er viele Wochen durch seinen großen Wahlkreis, der die Uckermark und den Oberbarnim umfasst, gereist. Er hat mit Bürgermeistern und Landräten gesprochen, zahlreiche klein- und mittelständische Unternehmen besucht, Bürgersprechstunden in seinen drei Bürgerbüros abgehalten und ist so seinem Anspruch und seinem Wahlspruch „100 Prozent für die Region“ gerecht geworden.
Es habe sich gelohnt, sagt er. „Dies ist ein strukturschwacher Wahlkreis, für den noch viel getan werden muss. Vor allem muss man mit den Menschen reden. Nur so erfährt man, welche Probleme am dringlichsten sind, was die Leute beschäftigt, was sie umtreibt.“
Jens Koeppen, der in Schwedt an der Oder wohnt, fährt in Sitzungswochen jeden Abend mit dem Zug nach Hause und morgens wieder zurück nach Berlin in den Bundestag. So bleibt die Verbindung zum Wahlkreis eng.
Der Abgeordnete ist ordentliches Mitglied im Umweltausschuss und stellvertretendes Mitglied im Verkehrsausschuss. Ganz oben auf seiner Liste der nächsten wichtigen Dinge steht die weitere Beschäftigung mit dem Gesetz über erneuerbare Energien: „Das muss dringend handwerklich überarbeitet werden.“ Handlungsbedarf besteht für ihn auch bei dem Thema Dieselrußpartikelfilter, für das Jens Koeppen Berichterstatter im Ausschuss ist.
Spricht man den gelernten Elektrotechniker auf seine Mitarbeit im Parlamentarischen Kreis Mittelstand der CDU/CSU-Fraktion an, dann beginnt er, einen ganz großen Themenbogen zu spannen – und kommt dabei doch immer wieder auf seinen Wahlkreis zurück. Die Förderung des Mittelstands, der größter Arbeitgeber ist und die meisten Ausbildungsplätze schafft, ist ein Herzensthema des Abgeordneten. „Im Parlamentarischen Kreis können wir über all diese Themen diskutieren und Vorschläge konzipieren: zur wirtschaftlichen Entwicklung, Schaffung von Arbeitsplätzen, Entlastung von kleinen und mittleren Unternehmen durch Entbürokratisierung, zum Umbau des Sozialstaats. Das bringen wir dann in die Fraktion ein. Im besten Fall werden daraus konkrete parlamentarische Initiativen.“ Jens Koeppen macht den Eindruck, als lege er es genau darauf an.
Nichtraucherschutz und AIDS
Ziele hat auch die SPD-Abgeordnete Margrit Spielmann aus Brandenburg an der Havel. Den Sommer hat die 63-Jährige genutzt, um in ihrem großen Wahlkreis vor allem Projekte der Kinder- und Jugendarbeit, der Jugendhilfe und Generationenarbeit zu besuchen. Dafür setzt sich die ausgebildete Erzieherin und Rehabilitationspädagogin besonders ein – ebenso wie für die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen.
Vier Jahre war Margrit Spielmann Bürgermeisterin in ihrer Geburtsstadt Brandenburg. Sie gehört zum Verwaltungsrat des SOS-Kinderdorfs e.V. Deutschland, arbeitet ehrenamtlich in der Seniorenbetreuung, ist vorsitzendes Mitglied des Vereins „Sonnensegel“, der Jugendkultur fördert. Sie will, dass Jugendhilfe mehr auf Prävention setzt, dass Generationen Orte haben, an denen sie gemeinsam sein können. Ein Altenheim gibt es schon, in dem ein Kindergarten integriert ist. Dort engagiert sich die Abgeordnete als Schirmherrin. Es soll mehr solche Projekte geben. Margrit Spielmann hat die Sommerpause genutzt, um mögliche Partner dafür an einen Tisch zu bekommen. Die Abgeordnete sagt, Zukunft wäre nicht anders zu machen. „Man muss Probleme gemeinsam angehen.“
Eines der ersten Themen, mit denen sich die Brandenburgerin im September im Bundestag befasst hat, war das Passivrauchen – oder besser der Schutz von Nichtrauchern. Margrit Spielmann ist Mitglied im Gesundheitsausschuss und suchtund drogenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. „Im Sommer war Zeit, sich mit der Gesetzeslage zu befassen und die Ergebnisse der Forschungsinstitute zu diesem Thema zu studieren. Es ist ja schon mehrfach versucht worden, im Parlament etwas auf die Wege zu bringen. Ehe wir nun anfangen, wieder ein Gesetz zu zerreden, sollten wir in den Fraktionen Partner suchen und dann einen Antrag auf den Weg bringen, der von möglichst vielen getragen wird. Da geht also Sorgfalt vor Schnelligkeit.“
Noch vor der Sommerpause war Margrit Spielmann mit auf einer Ausschussreise nach Tallin, Moskau und St. Petersburg. Es ging um AIDS. Dazu fand im August in Toronto der Weltkongress statt. „Die Entwicklung ist alarmierend. Auch das wird ein wichtiges Thema, neben der Gesundheitsreform, mit dem ich mich in den kommenden Monaten befassen werde.“
Die Akte Gesundheitreform
Einen bundestagsnahen Wahlkreis empfindet auch der FDP-Abgeordnete Heinz Lanfermann als Vorteil. Da könne man auch in der Sommerpause zwischen dem Wahlkreisbüro in Potsdam und dem Bundestagsbüro in Berlin pendeln. „Eine Versuchung ist das“, sagt der 56-jährige Rechtsanwalt aus Potsdam und lächelt. Er war dieser Versuchung schnell erlegen. Nicht ohne Grund. Sein Thema, die Gesundheitspolitik, ist in diesem Sommer heiß und ausdauernd diskutiert worden und war natürlich auch Thema auf der dreitägigen Fraktionsklausur, die am Ende der Sommerpause in Wiesbaden stattfand.
„Das war ein guter Sommer“, sagt Heinz Lanfermann. Er habe Urlaub machen können, Gutachten und Materialien gelesen, für die sonst wenig Zeit bleibt, es sind keine Postberge oder Staus im E-Mail-Fach entstanden, und mancher Aktenstapel ist kleiner geworden. „Im Sommer hat man die Ruhe, bei manchen Themen mehr in die Tiefe zu gehen. Es gibt Problembereiche in meiner Arbeit – zum Beispiel Berechnungsmodelle für die Pflegeversicherung –, da liest man sich nicht so zwischen Tür und Angel ein, und da entstehen auch nicht von jetzt auf gleich neue Konzepte. Und wenn man als Fraktion mit eigenen Vorstellungen und Eckpunkten in den Gesundheitsausschuss gehen will, dann braucht auch das Zeit zum Überlegen, Diskutieren und Arbeiten.“
Heinz Lanfermann ist ein erfahrener Parlamentarier – und gut organisiert dazu. „Das liegt vor allem daran, dass meine Mitarbeiter alles bestens im Griff haben“, sagt der Abgeordnete.
Die dringendsten und nächsten Termine standen schon lange im Kalender, und die Inhalte waren gut vorbereitet. Gesundheitspolitik wird nun wieder in den Arbeitsgremien der Fraktion, im Ausschuss und im Parlament debattiert. „Das Thema wird uns noch lange beschäftigen, und es ist eine der ganz großen Herausforderungen dieser Zeit, hier Lösungen zu finden, die langfristig funktionieren und solide sind.“
Wenn man sich die anliegenden Aufgaben der kommenden Monate einmal als Aktenstapel vorstellt, dann liegt beim Abgeordneten Lanfermann, Mitglied des Gesundheitsausschusses, die Akte „Gesundheitsreform“ ganz obenauf.
Steuersenkung für Unternehmen?
Einen Aktenstapel vorstellen kann sich auch die Abgeordnete Barbara Höll von der Fraktion Die Linke. Doch bei ihr sieht die Realität so aus: Ihre Aktenstapel und Papierberge sind verteilt auf das Wahlkreisbüro in Leipzig, das Bundestagsbüro in Berlin und die Wohnungen in beiden Städten. Wo sich was befindet und welches Stadium der Bearbeitung es aufweist, weiß die Abgeordnete. Der Gegenbeweis müsse erst angetreten werden, sagt sie.
In der Sommerpause hat Barbara Höll gelesen, abgearbeitet und aussortiert. Sie hat, was schon lange geplant war, unter anderem eine große Behindertenwerkstadt in Leipzig besucht, um mit den Menschen dort in Ruhe darüber zu reden, unter welchen Bedingungen in diesen Einrichtungen gearbeitet wird und welche Probleme es gibt. Im Sommer war Zeit für Bürgerforen, zum Beispiel zu den neuen Regelungen bei den Hartz- IV-Gesetzen.
Und es war Zeit, sich um ganz konkrete und alltägliche Probleme zu kümmern. Beispielsweise den geplanten Bau von Einfamilienhäusern in einem Leipziger Ortsteil. Den wollen der Naturschutzbund und eine Bürgerinitiative verhindern. 1.000 Unterschriften gegen das Projekt waren gesammelt, Pro und Kontra ausgetauscht, aber es gab keine Lösung. Barbara Höll sprach mit den Beteiligten und Engagierten und organisierte ein Bürgerforum, bei dem alle an einen Tisch kamen. „Es ist ein Unterschied, ob ich etwas lese oder mich vor Ort informiere. Probleme lassen sich sowieso besser im direkten Gespräch lösen“, sagt die 48-jährige Diplom-Philosophin.
In ihrer Fraktion ist Barbara Höll steuerpolitische Sprecherin. Sie beschäftigt sich also seit Beginn der Sitzungswochen wieder mit der einfachen Frage: Wie kann Geld eingenommen und wofür soll es ausgegeben werden? Die einfache Frage ist noch immer schwer zu beantworten. Ganz wichtig ist der Abgeordneten das Thema Unternehmenssteuerreform. Eine solche sollte im kommenden Jahr beschlossen werden. „Meine Fraktion lehnt die vom Finanzministerium vorgesehenen acht bis zehn Milliarden Euro Steuersenkungen für Unternehmen entschieden ab. Denn gleichzeitig sollen die Menschen durch höhere Steuern belastet werden. Die Mehrwertsteuer ist ja nun beschlossene Sache, aber für mich ist das Thema damit nicht vom Tisch. Es muss zum Beispiel diskutiert werden, welche Anpassungen nun bei den Transferleistungen notwendig sind. Steuern stehen eigentlich immer auf der Tagesordnung. Und sind ein interessantes Thema“, sagt sie und lacht.
Ländliche Räume entwickeln
Weniger an einem Ort als in einem Raum war die bündnisgrüne Abgeordnete Cornelia Behm im Sommer unterwegs. Zwei kleinere und zwei große Arbeitsreisen hat sie unternommen. Sie hat mit Menschen gesprochen und Neues erfahren. Das ist ihr wichtig, denn gute Parlamentsarbeit speist sich aus der Praxis.
Im Wahlkreisbüro der Parlamentarierin in Potsdam hängt eine Karte mit roten und gelben Stecknadeln, die alle besuchten und noch zu besuchenden Orte im Land Brandenburg kennzeichnen. Das sieht bunt und gut geplant aus.
Die beiden großen Arbeitsreisen galten den Großschutzgebieten Brandenburgs, die wichtige Regionen auch für die touristische Vermarktung des Bundeslands sind, und der integrierten ländlichen Entwicklung, die gefördert wird durch das Bundesprogramm „RegionAktiv“. Es war eine arbeitsreiche und gute Parlamentspause für die 54-jährige diplomierte Agraringenieurin, die in ihrer Fraktion Sprecherin für Agrarpolitik ist und im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sitzt.
Gleich zu Beginn der Sitzungswochen im September stand ein wichtiges und von langer Hand vorbereitetes Projekt auf dem Plan, für das Cornelia Behm federführend verantwortlich war: der Kongress „Ländliche Räume in Deutschland entwickeln“ im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Deutschen Bundestages. Er hatte schwerwiegende Themen auf der Agenda: die Gestaltung zukunftsfähiger Förderpolitik, die Wettbewerbsfähigkeit durch ökologische Modernisierung und die Debatte über Modellregionen, beispielsweise des Förderprogramms „RegionAktiv“.
Die Vorbereitung dieses Kongresses der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat viel Zeit in Anspruch genommen. „Ab 2007 wird es einen neuen europäischen Fonds geben, aus dem Projekte integrierter ländlicher Entwicklung unterstützt werden. Dann bildet die gegenwärtige Gemeinschaftsaufgabe Agrar- und Küstenschutz von Bund und Ländern die neue Förderlandschaft nicht mehr ab. Es muss also neu gedacht werden“, beschreibt Cornelia Behm die künftigen Herausforderungen. „Der Kongress war ein gutes Mittel und die richtige Methode, möglichst viel Wissen zu vermitteln und die Vernetzung der Initiativen und Vereine zu fördern.“
Cornelia Behm findet, dass der Start ins neue Sitzungsjahr gut gelungen ist. Damit steht sie nicht allein da.
Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 22. September 2006
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