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„Quelle der Inspiration“

Bild: Im Andachtsraum, gestaltet von Günther Uecker: Bundestagspräsident Norbert Lammert.
Im Andachtsraum, gestaltet von Günther Uecker: Bundestagspräsident Norbert Lammert.

Ein Gespräch mit Bundestagspräsident Norbert Lammert über die Kunst im Bundestag

Blickpunkt Bundestag:Wir haben Sie um ein Interview über Bundestag und Kunst gebeten, und zwar an einem Kunstwerk, das Ihnen ganz besonders zusagt – warum treffen wir uns im Andachtsraum?

Norbert Lammert: Wir hätten uns auch an vier, fünf, sechs anderen prominenten Plätzen im Reichstag treffen können, die geprägt und keineswegs nur geschmückt sind von Kunstwerken. Für mich ist dies, vom Plenarsaal mal abgesehen, der eindrucksvollste Raum, den es im Reichstagsgebäude überhaupt gibt. Er hat eine überragende künstlerische Gestaltung und deswegen auch eine Stimmung, die sich nirgendwo sonst im Parlamentsgebäude auch nur in ähnlicher Weise wiederfindet.

Blickpunkt: Die Stimmung wird hier ja auch durch den interkulturellen Ansatz von Günther Uecker hervorgehoben. Sie selbst plädieren für die Beschäftigung mit einer deutschen Leitkultur. Finden Sie hier etwas davon wieder?

Lammert: Allein der Umstand, dass der Deutsche Bundestag beschlossen hat, einen Andachtsraum einzurichten, ist Ausdruck der Überzeugung, dass die Arbeit, die wir hier leisten, nicht nur rechtliche, sondern auch kulturelle Grundlagen hat. Und deswegen ist das für mich auch ein ganz besonders wichtiger Raum, weil er diese Dimension verdeutlicht. Ich finde persönlich diesen Raum künstlerisch auch so grandios, weil jeder sofort den Eindruck hat, dass es um die Dinge geht, die jenseits der Alltagsprobleme liegen. Die Tafeln, die neben dem Altartisch diesen Raum prägen, vermitteln den Eindruck einer geistigen wie geistlichen Stimmung, ohne konfessionell verengend zu sein. Ich habe hier einmal zu einer interkonfessionellen Andacht eingeladen mit Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche, der jüdischen und der islamischen Gemeinde. Sie alle haben jeweils für sich dies als eine sehr passende Umgebung auch für den interkonfessionellen Dialog empfunden.

Blickpunkt: In anderen Parlamentsgebäuden dieser Welt finden sich Bilder des Nationalgeschehens. Der Bundestag hat sich für zeitgenössische Kunst entschieden. Prägt das auch seine Arbeit?

Lammert: Man sollte diesen Zusammenhang nicht übertreiben. Es war ein ganz wichtiges Signal, dass der Deutsche Bundestag die Ausstattung dieses Gebäudes herausragenden Beispielen zeitgenössischer Kunst gewidmet hat. Damit setzen wir einen Kontrapunkt zu der vielleicht nahe liegenden Neigung, ein Parlament nur um sich selbst kreisen zu lassen. Ich finde auf der anderen Seite den Einwand schon berechtigt, dass in einem Parlamentsgebäude auch die Geschichte eines Parlamentes und – in Maßen und damit verbunden – auch die Geschichte eines Landes erkennbar sein sollte. Ohne die damals getroffene Entscheidung, die ich ausdrücklich mitgetragen habe und begrüße, auch nur andeutungsweise in Frage stellen zu wollen, finde ich es schon angemessen, darüber nachzudenken, ob man diese Ergänzung in den nächsten Jahren nicht in einer vernünftigen Proportion vornehmen kann.

Blickpunkt: Was bedeutet Kunst für Sie persönlich?

Lammert: Sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Lebens. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, dass ich ohne Musik, ohne Literatur, ohne bildende Kunst zurande kommen müsste. Denn das ist eine ganz unverzichtbare Quelle der Inspiration, der Motivation und der selbstkritischen Befassung mit eigenen Erfahrungen und Ambitionen.

Blickpunkt: Und was bedeutet Kunst für Politik und Gesellschaft?

Lammert: Politik ist nicht für Kunst zuständig, sondern für die Bedingungen, unter denen sich Kunst und Kultur in einem Land entwickeln können. Für mich gehört Kunst nicht zu den schönsten Nebensachen der Welt, sondern ist eine der Hauptsachen, mit denen wir zu tun haben. Denn was von dieser Generation einmal im Gedächtnis dieses Landes bleiben wird, das sind nicht die Steuergesetze, die wir verabschiedet haben, nicht die Autobahnkilometer, die wir gebaut haben, auch nicht die Sozialansprüche, die wir angehoben oder gesenkt haben, sondern die Zeugnisse an Kunst und Kultur, die an nachfolgende Generationen übergeben werden.

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Foto: studio kohlmeier
Erschienen am 6. Juni 2006


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