Griechenland

Doris Barnett trifft Konstantinia Toliadi in der deutsch-griechischen Kindertagesstätte Faros in Berlin-Kreuzberg

Ein Kind rennt in Doris Barnetts offene Arme und die Abgeordnete lässt es durch die Luft fliegen. Konstantinia Toliadi sitzt auf der Bühne und lächelt. Das ist ein guter Anfang.

Früher war in diesem großen Raum, in dem jetzt gespielt und getobt wird, ein kleines Theater untergebracht. Heute sind griechische und deutsche und deutsch-griechische Kinder die Hausherren. „Faros” heißt Leuchtfeuer. In die Kita Faros kommen rund 100 Kinder, zwischen ein und zehn Jahre alt, in die Laufkrippe, den Kindergarten, die Vorschule oder den Hort. Sie werden hier zweisprachig erzogen und bestens auf das spätere Schulleben vorbereitet.

Konstantinia Toliadi arbeitet seit 16 Jahren in dieser Einrichtung. Als sie hier anfing, war Faros eine Kita allein für griechische Kinder. Vor zehn Jahren änderte sich das und heute hätte die Einrichtung den Titel Europa-Kita verdient. Der Antrag ist gestellt, das Konzept entwickelt und bereits mit Leben erfüllt.

Als Konstantinia Toliadi 1990 nach Berlin kam — aus Neugier und nur zu Besuch — war sie 26 Jahre alt. Aus dem Besuch bei Freunden ist ein Bleiben geworden. Die aus dem griechischen Kavala stammende Lehrerin hat sich ein bisschen in die Stadt Berlin verliebt. Vielleicht sogar sehr. Sie hat eine Erzieherinnenausbildung gemacht und in der Kita Faros bereits in allen Bereichen gearbeitet. Gegenwärtig kümmert sie sich um die Kleinsten in einer der zwei „Nestgruppen”. Ihr Sohn, sechs Jahre alt, ist schon bei den Größeren.

Die SPD-Abgeordnete Doris Barnett hat eine enge, alltagserprobte und emotionale Beziehung zu Griechenland. Oder besser zu Menschen aus Griechenland. Als die 1953 in Ludwigshafen geborene Juristin 1994 in den Deutschen Bundestag einzog, gehörten die Mitglieder der PASOK (Panhellenische Sozialistische Bewegung) in ihrem Wahlkreis zu den ersten und herzlichen Gratulanten.

Daraus sind Freundschaften gewachsen und ist ein gelebtes und lebendiges Stück Europa geworden. Es sei eine feste Partnerschaft zwischen PASOK und SPD in Ludwigshafen entstanden, erzählt die Abgeordnete. „2003 waren wir auf Korfu und haben mit unseren griechischen Kollegen dort über Europa diskutiert. Ich fahre da jetzt bald jedes Jahr hin, auch mit der Familie in den Urlaub. Es ist schön dort, die Menschen sind offen und herzlich. Man fühlt sich immer willkommen, auch als ganz und gar Fremde.” Die Gastfreundschaft der Griechen sei wirklich sprichwörtlich, bestätigt Konstantinia Toliadi, und Doris Barnett erzählt von einem Besuch in einem kleinen Dorf, wo gerade die Einweihung einer Kita gefeiert worden sei, und da sei man eingeladen und aufgenommen und bewirtet worden mit großer Selbstverständlichkeit und Fröhlichkeit.

Doris Barnett (links) trifft Konstantinia Toliadi in der deutsch- griechischen Kindertagesstätte Faros in Berlin-Kreuzberg (© DBT/studio kohlmeier)

Beziehungen müssen gelebt werden, am eigenen Leib erfahren, darin sind sich beide Frauen einig. Die Kita Faros ist dafür ein lebendiges Beispiel. „Die zweisprachige Erziehung schafft Zusammenhalt”, sagt Konstantinia Toliadi. „Im täglichen Zusammensein wird das Fremde schnell vertraut. Wir geben uns hier große Mühe, den Kindern auch beide Kulturen nahezubringen. Die beiden griechischen Nationalfeiertage zum Beispiel sind für uns Griechen wichtige Feste. Dann übersetzen wir gemeinsam griechische Gedichte, in denen es darum geht, dass es keinen Krieg geben darf und Frieden sein soll. Die Kinder tragen die Gedichte dann mit Leidenschaft vor. Da bekomme ich beim Zuschauen und Zuhören eine Gänsehaut.”

Doris Barnett erzählt von einem Projekt, das ihr am Herzen liegt. „Man muss auf lokaler Ebene agieren, nah an den Menschen bleiben. Wer etwas zusammen macht, verliert mögliche Vorurteile. Wir haben uns überlegt, dass junge Deutsche und junge Griechen auf Korfu einen Wanderweg anlegen könnten. Das fördere den sanften Tourismus und ist doch auf jeden Fall einen Versuch wert.” Konstantinia Toliadi wandert nicht allzu gern, das gibt sie offen zu. Aber einen von Deutschen und Griechen angelegten Wanderweg auf Korfu würde sie ausprobieren. Versprochen.

„Zurzeit geht es mit dem Projekt nicht weiter. Ich habe an verschiedenen Stellen gebohrt. Aber ich gebe nicht auf. Ich bin Vorsitzende der Naturfreunde Rheinland-Pfalz, dieser Wanderweg liegt mir wirklich am Herzen. Und wir aus der Pfalz können ganz schön stur sein.” Mit diesem Bekenntnis zaubert die Abgeordnete ein Lächeln auf Konstantinia Toliadis Gesicht.

Die beiden Frauen kommen, wie man im Deutschen sagt, beim Reden ein bisschen von Hölzchen auf Stöckchen. Irgendwann sind sie bei einer PASOK-Abgeordneten Korfus im griechischen Nationalparlament. Angela Gerekou, die einstige Schauspielerin und heutige Politikerin, finden sie beide großartig. Sie sei sehr engagiert, sagt die eine, und mit einem Sänger verheiratet, weiß die andere.

Apropos verheiratet: Die Abgeordnete fragt, ob es spürbare Unterschiede zwischen Deutschen und Griechen im Zusammenhalt der Familien gebe. Das könne man ja hier in der Kita Faros sicher gut feststellen. „In griechischen Familien ist der Zusammenhalt sehr stark”, sagt die Erzieherin Toliadi. Das sei schon anders als in vielen deutschen Familien. Und wenn beides zusammenkommt — das Griechische und das Deutsche? Spannende Frage. Genug Diskussionsstoff für einen langen Abend. Vielleicht mal irgendwann.

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Text: Kathrin Gerlof
Erschienen am 11. Mai 2007