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Zu den Jugendmedientagen 2006 haben zehn junge Journalisten in zwei Tagen ein Glasklar Spezial produziert. Ganz schön sportlich.
Manchmal geschehen die Dinge eben schneller. Als wäre das Leben ein Film. Du drückst die Vorlauftaste und die Bilder nehmen Fahrt auf. Ein Monat ist plötzlich nur noch ein paar Stunden lang, und du erlebst so viel wie andere in einem Jahr. Bei den Jugendmedientagen (JMT) 2006 waren 600 Jugendliche vom 18. bis 21. Mai zu Gast im Bundestag: 100 Workshops und Diskussionen, Debattieren mit Fraktionschefs und Chefredakteuren, Gespräche mit Künstlern und Politikwissenschaftlern, Politik und Medien nonstop. Zehn der 600 Teilnehmer haben in der Zeit ein Glasklar-Magazin produziert, von Donnerstag bis Samstag. Was sonst einen Monat braucht, haben sie in 48 Stunden geschafft.
Es ist früher Nachmittag in Berlin, ein Donnerstag im Mai. Aus allen Ecken Deutschlands treffen die Teilnehmer der Jugendmedientage ein und schleppen ihre Koffer zur Max-Schmeling- Halle, die für vier Tage zur zentralen Schlafstätte der JMT umfunktioniert ist. Unter ihnen: zehn angehende Glasklar- Reporter. Schnell noch den Schlafsack ausrollen, dann geht es schon zur ersten Redaktionssitzung. Die JMT sind voll mit Programm, am selben Abend schon startet die erste Diskussion, zum Thema Kunst und Politik. In den Tagen darauf Gespräche mit Abgeordneten, Workshops zum journalistischen Handwerk, Besuche in Redaktionen und Parteizentralen, ein Kurzfi lmwettbewerb, Symposien – und währenddessen: selber Magazine, Zeitungen, Radiosendungen machen. Also, es ist keine Zeit zu verlieren: Als die Teilnehmer anderer JMT-Redaktionen – Stern, Focus, Gala und viele weitere sind dabei – noch beim Sightseeing sind, grübeln die zehn Glasklar-Reporter schon über den Themenvorschlägen.
Das erste Redaktionsmeeting am Donnerstagnachmittag: Die Glasklar-Reporter sitzen um einen riesigen Konferenztisch, mit dabei die Redakteure, die Fotografen und Anne Voigt, die Layouterin des Magazins. Im Paul-Löbe-Haus des Bundestages hat sich das Team einen Redaktionsraum gesichert, Computer und Diktiergeräte sind organisiert und warten auf ihren Einsatz, Merkblätter machen die Runde. Viel Papier – und kaum Zeit, sich zu beschnuppern. Die Uhr tickt und die Frage aller Fragen lautet: Wer übernimmt welches Thema? Die dpa-Reportage geht schnell weg, gleich zwei möchten sich bei der Nachrichtenagentur umsehen, Johanna und Cornelia sind das dpa-Tandem. Ob junge Journalisten Lust auf politischen Journalismus haben, will Christopher herausfi nden. Und wer macht die Umfrage? Noch eine Stunde, dann beginnt die Auftaktveranstaltung – die Gelegenheit, erste Statements abzugreifen.
Alles im Kasten?
Die Jüngste springt ins kalte Wasser: Luise aus Kletzke in Brandenburg übernimmt die Umfrage, per Taxi geht es zum Auftakt in die Akademie der Künste. Mit 15 Jahren ist Luise nicht nur die Jüngste im Team, sie ist die Jüngste überhaupt von allen 600 Teilnehmern der JMT. Lampenfi eber? Höchstens ein bisschen. Zwar streikt zunächst das Diktiergerät, aber der Fehler ist schnell behoben. Also ran. „Was änderst du als Chefredakteur?“, will sie von den jungen Medienmachern wissen. Luise greift sich einen nach dem anderen. Ansprechen, Statement aufzeichnen, Namen notieren, alles läuft wie am Schnürchen. Die Umfrage ist bald im Kasten.
Am Freitagmorgen ist die Politik dran: Während im Plenarsaal des Bundestages seit 8 Uhr die Abgeordneten debattieren, treffen die JMT-Teilnehmer auf die Vertreter der Fraktionen, um über deren Aufgaben und Ziele zu diskutieren. Glasklar- Reporterin Hanna streift mit dem Diktiergerät bewaffnet durchs Parlament und schnappt sich jeden Volksvertreter, der ihr über den Weg läuft: „Was würden Sie tun, wenn Sie Journalist wären?“ Die Antworten auf dem Band – sie sprechen Bände. Am Abend will sie noch ein paar Journalisten bei einer Diskussionsrunde abpassen und ihnen die umgekehrte Frage stellen: Was würden sie als Abgeordnete unternehmen?
Cornelia und Johanna sitzen nachmittags im Haus der Deutschen Presse-Agentur und löchern Martin Bialecki, den Chef des Hauptstadtbüros, mit Fragen über seine Arbeit im Nachrichtengeschäft. Mit Notizblöcken voller Infos und den Köpfen voller Eindrücke setzen sich die beiden im Redaktionsbüro sofort an ihre Artikel. Auch andere vom Team sind da, recherchieren und bereiten sich auf Interviews vor. Manche prägen sich die Biografi en der Interviewpartner ein, knobeln Fragen aus. Zwischendurch werden Zeitungsartikel herumgereicht und heiße Tipps ausgetauscht, wie man an ein Praktikum kommt oder eine eigene Jugendwebsite auf die Beine stellt. Alles läuft, dann die Katastrophenmeldung: Der fertige Text von Martin ist – weg. „Unwiederbringlich gelöscht“, sagt der Autor mit tonloser Stimme und ist ganz weiß im Gesicht. Die 16-jährige Anna tröstet ihn: „Ich lösche meine Texte immer mit Absicht. Wenn ich sie dann neu schreibe, klingt alles gleich viel besser!“ Nun denn. Martin, der im ersten Moment eigentlich nur noch abreisen will, fängt von vorn an.
Improvisationskünstler
Auch andere müssen improvisieren: Anna hatte am Morgen nicht so viel Glück mit ihrem Interview, die Abgeordneten waren nach der Diskussionsrunde sofort weg. Wie bekommt man so kurzfristig noch ein Gespräch mit einem Mitglied des Bundestages? Anna gelingt es, Anna Lührmann von Bündnis 90/Die Grünen für ein spontanes Interview am Samstagmorgen zu gewinnen. Keine leichte Aufgabe, der Gesprächspartnerin zwischen Tür und Angel gute Statements zum schwierigen Thema „Streit in den Fraktionen“ zu entlocken. Doch Anna hakt nach und lässt nicht locker.
Theite ist ganz erschlagen von den vielen Infos, die sie auf dem Symposium für Bildung mitgeschrieben hat. Wie soll sie das alles auf einer einzigen Seite unterbringen? Da hilft nur der Rotstift. Auch Raisa kommt etwas geplättet vom Termin zurück. Eine halbe Stunde habe sie ihr Interviewpartner in Grund und Boden geredet. „Leider an meinen Fragen vorbei.“ Kommt vor. Raisa macht sich routiniert an die Abschrift. Journalistische Erfahrung hat sie schon bei mehreren Zeitungen gesammelt. Auch die meisten anderen sind bei Schülerzeitungen aktiv oder für den Lokalteil ihrer Heimatzeitung.
Samstag, der Tag der Wahrheit. In wenigen Stunden soll das Magazin gedruckt werden. Alle tippen emsig auf ihren Computern herum. Luise feilt an einer spannenden Einleitung. Carina spielt ihr Diktiergerät rauf und runter. Ihr Interview mit Catherine Zanev, Leiterin der deutschen Organisation des Europäischen Jugendparlaments, war sehr ergiebig. Den Kontakt will sie aufrechterhalten und Zanev für die nächste Ausgabe der Schülerzeitung einspannen.
Es wird Nachmittag, der Drucktermin rückt näher. Unter den Händen von Anne, die am „Mac“ die Seiten layoutet, nimmt das Glasklar Spezial Form an. Manuskript um Manuskript wird auf den Rechner geladen, Bilder werden geprüft und zu den Texten arrangiert. Zwei Korrekturschleifen haben die Beiträge durchlaufen, wie im richtigen Magazin: Stimmen alle Fakten? Kannst du zu diesem Punkt noch etwas mehr sagen? Dann wird nochmals die Länge überprüft, Rechtschreibung und Kommasetzung natürlich auch – und fällt hier jemandem noch eine gute Überschrift ein?
Feinschliff am Layout
17 Uhr 30, der letzte Text ist im Computer, Anne macht sich an den Feinschliff. Das komplette Glasklar-Reporterteam liegt derweil wie erschlagen auf dem Boden der riesigen Halle des Paul-Löbe- Hauses. Und zwar für das Gruppenfoto auf der Rückseite des Heftes. Zusammen bilden sie die Zeichen „J M T !“ – und sind ganz zufrieden mit ihrer Lage. „Klar, der Zeitdruck war kein Zuckerschlecken“, meint Theite. „Aber wir gehen mit einem echten Ergebnis hier raus!“ Politischen Journalismus zu machen, kann sie sich nach den JMT gut vorstellen. Jetzt steht aber erst mal anderes an: Das Team macht sich auf zur Abschlussparty. Wenig später hält draußen ein Kurierfahrzeug.
Sonntagmorgen, 700 druckfrische Glasklar- Magazine liegen vor dem Plenarsaal des Bundestages aus. Im Plenum läuft die Abschlussveranstaltung der JMT, geleitet von Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner. Verschiedene Gruppen stellen ihre Ergebnisse vor, neben Glasklar sind viele andere Zeitungsseiten und Zeitschriften in den zwei Tagen entstanden, von Neon, Fluter oder von der Berliner Zeitung. Aber so schön bunt? Die Glasklar- Teilnehmer halten ihr Ergebnis stolz in den Händen, zeigen ihren Beitrag herum und schmökern in den Texten der anderen. Die Arbeit von einem Monat in zwei Tagen gemacht – kein schlechter Start ins Journalistenleben. Bleiben wir in Kontakt? Na klar!
Zehn junge Journalisten haben auf den Jugendmedientagen 2006 im Bundestag eine Glasklar-Ausgabe gestaltet, unterstützt von der Glasklar-Redaktion. Auf den folgenden Seiten kannst du einige Beiträge lesen, die im Rahmen von Glasklar Spezial "Jugendmedientage 2006" entstanden sind.
Dabei waren Luise Bomke, Raisa Borgert, Anna Geyer, Christopher Graul, Carina Grundmann, Martin Halewitz, Johanna Huesmann, Theite Otto, Hanna Schwank und Cornelia teinigen.