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Der Countdown läuft
Blickpunkt Bundestag-Gespräch mit
Bundeswahlleiter Johann Hahlen
Er ist der Mann, bei dem am 27. September
die Strippen zusammenlaufen: Johann Hahlen, Präsident des
Statistischen Bundesamtes und Bundeswahlleiter. Blickpunkt
Bundestag sprach mit ihm über Wahlbeteiligung, Lampenfieber
und ungewöhnliche Begleitumstände der Wahl.
Hat ein Bundeswahlleiter
Lampenfieber?Nein, habe ich nicht. Wir haben eine hervorragende und erfahrene Mannschaft zusammen. Im eigentlichen Wahlbüro haben wir etwa 15 Mitarbeiter, bei der Informations-Technik ebenfalls, und am Wahlabend sind es sogar an die 150 Mitarbeiter in Wiesbaden und im Bundeshaus, die die Wahl organisieren. Das sind Kollegen, die schon drei, vier oder fünf Wahlen und vor allem die erste gesamtdeutsche Wahl bewältigt haben, als es zum Beispiel kaum Fernsprecher zwischen Ost- und Westberlin gab. Wer das geschafft hat, der schafft auch die kommende Bundestagswahl.
Was macht der Bundeswahlleiter am
Wahltag? Haben Sie überhaupt Zeit zu wählen?
Ich wohne zwischen Köln und Bonn in Urfeld und werde dort erst
einmal gegen halb neun im Wahllokal in der Grundschule zur Wahl
gehen. Dann fahre ich ins Bundeshaus, denn schon während des
Tages melden sich Kreis- und Landeswahlleiter mit Zweifelsfragen
und holen sich bei uns Rat. Aber der Vormittag ist überwiegend
ruhig. Dann werden wir um 12, 14 und 16 Uhr den Stand der
Wahlbeteiligung aus einigen hundert ausgewählten Wahlbezirken
ermitteln, die wir zuvor um Meldungen gebeten haben. Damit wollen
wir die Bürger zu Hause, die noch gemütlich beim Kaffee
sitzen, aufmuntern, zur Wahl zu gehen. Und um 18 Uhr beginnt der
Ernst des Lebens.
Verfolgen Sie auch die ersten
Hochrechnungen, die schon kurz nach 18 Uhr über die Sender
gehen?
Natürlich, die verfolgen wir mit großen Augen.
Erfahrungsgemäß gegen 21 Uhr kommen bei uns die ersten
Ergebnisse aus den 328 Wahlkreisen an, wobei oft die Stadtgebiete
die ersten sind. Gegen 22:30 Uhr erreichen wir eine Bugwelle, wo
viele Ergebnisse geballt eintreffen. Anschließend flaut es ab,
und wir wartet dann oft sehr lange auf die letzten Ergebnisse.
Ihr Ziel ist es normalerweise, zwischen 1
und 2 Uhr das vorläufige Endergebnis zu melden...
... das wäre eine sehr schöne Zeit, aber ich habe nicht
die Illusion, daß wir diese Zeit erreichen. Bei den letzten
beiden gesamtdeutschen Wahlen hat es bis in die Morgenstunden
gedauert, weil in einzelnen Wahlkreisen zum Beispiel die Meldewege
nicht so funktionierten, Wahlvorstände bereits nach Hause
gegangen waren oder die Kreiswahlleiter feststellten, daß noch
ein Ergebnis fehlte und deshalb ihre Meldung zurückhielten.
Ein Problem, das auf uns zukommt, ist jedoch die Ungeduld der
Politiker, die wissen wollen, wie die Wahl ausgegangen ist. Und
dabei könnten wieder die Überhangmandate eine große
Rolle spielen. Vor allem in Ostdeutschland, wo in vielen
Wahlkreisen SPD, CDU und PDS stark miteinander konkurrieren,
können schon kleine Verschiebungen einen Wahlkreis kippen
lassen, ohne daß es zu wesentlichen Veränderungen bei den
Zweitstimmen gekommen ist.
Erst wenn wir alle Ergebnisse der 328 Wahlkreise haben, können
wir das Ergebnis der Erst- und Zweitstimmen für eine Partei
vergleichen und die Zahl der notwendigen Überhangmandate
errechnen. Und das braucht eben Zeit.
Wieso kostet die Bundestagswahl rund 100
Millionen Mark?
Weil vor allem die Post viel Geld durch die Wahl verdient. Wir
hatten beim letzten Mal fast 6,4 Millionen Briefwähler. Zwar
zahlt der Bürger kein Porto, aber der Bund erstattet der Post
natürlich die Gebühren. Dabei werden die
Briefwahlunterlagen erst an den Bürger geschickt, der sie dann
wieder ausgefüllt zurücksendet. Da kommt eine Menge Porto
zusammen. Jeder der 60,5 Millionen Wahlberechtigten bekommt
außerdem eine Wahlbenachrichtigung, die ebenfalls
überwiegend mit der Post verschickt wird. Und dann gibt es
noch das Erfrischungsgeld für die Bürger, die in den
Wahllokalen am Wahltag die Wahlvorstände bilden. Der Bund
erstattet den Gemeinden pro Helfer 30 Mark. Bei rund 80.000
Wahllokalen und 10.000 Briefwahlbezirken kommen wir auf rund
600.000 Helfer. Allein für das Erfrischungsgeld brauchen wir
also schon 18 Millionen Mark.
Seit den 50er Jahren ist der Anteil der
Briefwähler von 4,9 auf inzwischen 13,4 Prozent gestiegen. Wie
erklären Sie sich diesen deutlichen Zuwachs?
Ich glaube, dafür sind vor allem zwei Gründe
verantwortlich. Die Leute sind mobiler geworden, machen sonntags
einen Ausflug und wollen sich durch die Wahl nicht
einschränken lassen. Zum anderen gibt es immer mehr
ältere Menschen, die eher dazu neigen, zu Hause zu bleiben
oder auch nicht mehr im Lokal wählen können, weil sie
krank oder gebrechlich sind.
Warum wird in Deutschland sonntags
gewählt und nicht wochentags wie beispielsweise in
Großbritannien und den USA?
Das ist eine alte und, wie ich finde, gute Tradition. Der Sonntag
ist ein freier Tag, so daß jeder, egal wie er beruflich
eingespannt ist, genug Zeit hat, zur Wahl zu gehen. Die hohe
Wahlbeteiligung in Deutschland von rund 80 Prozent führe ich
auch auf den Sonntag zurück. In anderen Staaten, die unter der
Woche wählen, gibt es eine deutlich geringere
Wahlbeteiligung.
Ist die Wahl in einem Wahlkreis zum
Beispiel wegen höherer Gewalt schon einmal
ausgefallen?
Nein, das ist zum Glück noch nie passiert. Aber eine Situation
wie beim Oderhochwasser im vergangenen Jahr könnte so eine
Situation sein, die uns zwingt, die Wahl zu verschieben.
Es gibt bei jeder Wahl auch
unabhängige Einzelpersonen, die sich in einem Wahlkreis
für den Bundestag bewerben. Gab es auch schon erfolgreiche
Bewerber?
Ja, allerdings nur bei der Bundestagswahl 1949. Damals haben gleich
mehrere unabhängige Bewerber ihren Wahlkreis errungen und den
Sprung in den Bundestag geschafft. Seither wird das zwar immer
wieder versucht, aber ohne Erfolg. Eines der bekanntesten Beispiele
ist der frühere Bonner Oberbürgermeister Hans Daniels,
der aus Protest gegen die kommunale Neugliederung als
Einzelbewerber angetreten ist und ein Achtungsergebnis von etwa 20
Prozent errungen hat. Daniels hat es dann sogar geschafft, die
Wahlkampfkostenerstattung, die es für die Parteien gab, auch
für Einzelbewerber durchzusetzen.
Gibt es auch diesmal
Einzelbewerber?
Ja, eine ganze Menge sogar. Wir rechnen mit über 100.
Wie viele Bundestagswahlen haben Sie
schon geleitet?
Noch keine. Die Wahl '98 ist meine erste.