Justizreform - CDU/CSU möchte Zivilgerichtsbarkeit entlasten(re) Mit Vorschlägen zur "Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit" will die CDU/CSU die gegen wärtige Überlast der Zivilgerichtsbarkeit abbauen. In ihrem Gesetzentwurf ( 14/163) schlägt die CDU/CSU vor, das Einzelrichterprinzip in erst- und zweitinstanzlichen Verfahren zu stärken, das Angebot der Rechtsmittel einzuschränken sowie die Abfassung von Urteilen zu erleichtern. In ihrer Begründung verweisen die Christdemokraten auf eine enorme Steigerung des erstinstanzlichen Geschäftsanfalls und die Erfüllung neuer Aufgaben im Zuge des Einigungsprozesses ab 1990. Keine Aufstockung des PersonalsDie anhand des Schlüssels für das Arbeitspensum ermittelte Überlast sei trotz Wertgrenzenerhöhung bei den erstinstanzlichen Zivilkammern von 20,5 Prozent im Jahre 1991 auf 24,4 Prozent im Jahre 1994 und bei den mit Zivilsachen befaßten Richtern am Amtsgericht in demselben Zeitraum von 11 Prozent auf 19,5 Prozent angestiegen. Bei den Familiengerichten habe sich die Überlastquote von 5,5 Prozent auf 13 Prozent erhöht. Die bürgerliche Rechtspflege werde auf Dauer nicht in der Lage sein, "die vom Gesetzgeber übertragenen neuen Aufgaben zu bewältigen und dem rechtsuchenden Bürger in angemessener Zeit Rechtsschutz zu gewähren". Schon jetzt sei die durchschnittliche Verfahrensdauer in Zivil- und Familiensachen merklich angestiegen. Die CDU/CSU-Fraktion verweist zudem darauf, daß eine personelle Verstärkung der Justiz angesichts der Haushaltslage von Bund und Ländern, aber auch wegen der von vielen Seiten erhobenen Forderung nach einem "schlanken Staat" nicht realisierbar sei. Auch werde der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechniken die Überlast der Richter nicht wesentlich verringern, sondern sich vornehmlich im Angestelltenbereich sowie im Bereich des mittleren Dienstes auswirken. In der Aussprache zur ersten Beratung des Gesetzentwurfs am 28. Januar im Bundestag erläuterte die Union, es handele sich bei ihrer Vorlage um einen in der letzten Legislaturperiode im Bundestag bereits verabschiedeten Entwurf. Dieser sei allerdings im Bundesrat gescheitert. Ein Teil der Justizreform wäre schon "abgevespert", wenn die SPD den CDU/CSU-Gesetzentwurf im Vermittlungsausschuß nicht wegen der darin vorgesehenen Öffnungsklausel blockiert hätte. Mit dieser wäre es den Ländern möglich gewesen, Aufgaben des Registergerichtes auf die Industrie- und Handels- sowie die Handwerkskammern zu übertragen. Nach wie vor halte es die CDU/CSU für richtig, "Aufgaben des Staates" dort, wo es machbar sei,in die Verantwortung von mehr privaten Händen zu übertragen. "Aber dies war und ist nach wie vor nicht möglich." Die Öffnungsklausel sei nun nicht mehr vorgesehen, "um keine Ablehnung zu provozieren". Die Länder drängten, etwas für die Entlastung der Justiz zu tun. Ihr Anliegen sei erst einmal die Schaffung der Einzelrichter. Diesem Wunsch trage der Entwurf Rechnung. SPD bewertet Entwurf als "Aktionismus"Die SPD-Fraktion warf der CDU/CSU vor, ihr Entwurf enthalte "nur blinden Aktionismus". Was die CDU/CSU betrieben habe, würde man beim Urheberrecht "Produktpiraterie" nennen. Sie sei noch nicht einmal in der Lage, "vernünftig" zu "fälschen". Die ordentliche Gerichtsbarkeit sei "stark belastet", das wisse man bei der SPD. Alles, was man jedoch in den vergangenen 16 Jahren seitens der alten Bundesregierung getan habe, sei ein "Herumdoktern an den Symptomen" gewesen. Ein halbes Jahr lang hätte sie die "Modernisierung des Handelsregisters" bei den Amtsgerichten verhindert. Das von ihr beschlossene erste Justizentlastungsgesetz habe "absolut nichts gebracht". Wenn nun etwas getan würde, dann müsse die Justizreform "aus einem Guß" sein. Die SPD werde in Kürze einen Gesetzentwurf einbringen, der den Einstieg in die "außergerichtliche Streitschlichtung" vorsehe. Hiervon verspräche sich die SPD eine "deutliche Erleichterung". Die F.D.P.-Fraktion nahm die Ankündigung der SPD, eine Justizreform "aus einem Guß" zu liefern, positiv auf. Man werde jedoch keiner Einschränkung der Möglichkeiten des Rechtsschutzes für den Bürger zustimmen, sondern der "ideenlosen Erhöhung von Streit- und/oder Beschwerde- wertgrenzen entgegentreten" und sich dafür einsetzen, den Rechtsschutz vor Ort nicht noch weiter abzubauen. Die "Einführung einer obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung" im Zivilverfahren sei zu begrüßen. Grüne: Reform muß bürgernah seinDie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bedankte sich bei der F.D.P. für die "Unterstützung der Grundgedanken der Koalition zum Thema Justizreform". Man selbst wolle die Reform nicht nur unter "fiskalischen", sondern auch unter den Gesichtspunkten "Bürgernähe, Bürgerfreundlichkeit und Sicherung der Rechtsstaatlichkeit". Der vorliegende Entwurf der CDU/CSU sei zwar in "manchen Punkten durchaus besser als die Ursprungsfassung des Bundesrates", leide aber an dem Mangel, den "Gedanken einer grundlegenden Neuordnung des Zivilgerichtlichen Verfahrens" außen vor zu lassen. Nach Auffassung der PDS bewirkten solche "Vereinfachungs- und Beschleunigungsgesetze", wie der vorliegende Entwurf, allenfalls "kurzfristige Erleichterungen". Langfristig führten sie jedoch zum "Gegenteil". Es wurden zudem "erhebliche Bedenken gegen die Ausweitung des Einzelrichterprinzips" geäußert. Auch glaube man nicht, daß die vorgesehenen Änderungen des Rechtsmittelrechts die beabsichtigten Entlastungen brächten. Der Sprecher der Bundesregierung begrüßte die große Übereinstimmung der Parlamentarier zu einer Justizreform. Sie setze auf eine grundlegende Reform, die "Schluß macht mit halbherzigen Lösungen". |