Stille Helfer im Hintergrund
Sie sind für fast alles zuständig und müssen fast alles können. Kaffeekochen gehört genauso zu ihren Auf gaben wie das Schreiben von Reden zu komplizierten politischen Sachverhalten. Sie sind nie auf Sendung, und ihre Fotos zieren nie deutsche Zeitungen. Sie sind stille und unverzichtbare Helfer im Hintergrund - die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten.
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Die Möglichkeit, Bundespolitik mitzugestalten, finden die meisten Abgeordneten-Mitarbeiter auch nach mehreren Jahren noch reizvoll. Sich immer wieder mit anderen Themen auseinanderzusetzen und mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun zu haben, sind weitere Aspekte. "Die Vielfalt ist es ", sagt Sabine Arnold, Mitarbeiterin des SPD-Abgeordneten Klaus Barthel, "die die Arbeit hier so interessant macht. " Sehr wichtig ist für sie dabei die gute Zusammenarbeit mit den Kollegen in ihrem Büro und ihrem Abgeordneten. "Ich habe einen Super-Chef ", schwärmt sie. Das gute Klima ist einer der Gründe dafür, warum es ihr "nicht leid tut, wenn ich mal länger bleiben muß ".
Für den abwechslungsreichen Job nimmt sie genau wie ihre Kollegen eine Reihe von Nachteilen in Kauf. Kündigungsschutz gibt es für die Mitarbeiter der Abgeordneten nicht. Dazu kommt alle vier Jahre das Zittern: "Schafft es mein Abgeordneter/meine Abgeordnete wieder? Wenn nicht, finde ich dann einen Abgeordneten, der mich übernimmt? " "Das ist irre belastend ", sagt Renate Eisenblätter, nach 24 Jahren im Bundestag eine der dienstältesten Mitarbeiterinnen. Für fünf verschiedene CDU-Abgeordnete hat sie in dieser Zeit gearbeitet; seit zehn Jahren ist sie im Büro von Hartmut Schauerte. Schon durch die unterschiedlichen Themenbereiche macht ihr die Arbeit auch nach so langer Zeit noch Spaß. Viele, vor allem die wissenschaftlichen Mitarbeiter sehen die Arbeit bei einem Abgeordneten allerdings eher als Sprungbrett zu einer festen Stelle.
Daß die Arbeit für einen Abgeordneten für die meisten keine Lebensstellung ist, zeigt auch ein Blick in die Statistik des Deutschen Bundestages. Weniger als fünf Jahre arbeiten 3.210 Mitarbeiter für Volksvertreter. Nur 1.277 sind länger dabei. Die 669 Abgeordneten des Deutschen Bundestages beschäftigen insgesamt 4.487 Mitarbeiter, 1.906 von ihnen arbeiten in Bonn. Die Frauen sind dabei mit einem Anteil von 57 Prozent vertreten. Daß viele nach einigen Jahren wieder gehen, läßt sich auch am Alter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ablesen: Der größte Teil von ihnen ist zwischen 20 und 40.
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Dennoch kann sich die Diplom-Sozialarbeiterin zur Zeit nichts anderes vorstellen. Vor zweieinhalb Jahren wurde sie Mitarbeiterin von Hans-Dietrich Genscher in seinem Wahlkreisbüro in Wuppertal, nachdem ihr Vertrag als Bildungsreferentin ausgelaufen war. Dort hat sie "Blut geleckt ". Im September 1997 zog sie nach Bonn um, ohne hier eine Stelle zu haben, weil sie unbedingt im Bundestag arbeiten wollte. Vorläufig will sie in der Politik bleiben, das berufliche Endziel der 31jährigen ist jedoch die Selbständigkeit. Irgendwann will sie eine Seminar-Agentur eröffnen. Die Arbeit im Bundestag, davon ist Ina-Carola Inseroth überzeugt, macht sie dafür fit.
Persönliche Eitelkeit können sich die Mitarbeiter der Abgeordneten nicht leisten. Sie bleiben im Hintergrund. "Für mich ist es schon befriedigend, wenn ich sehe, daß mein Abgeordneter die Ergebnisse meiner Arbeit verwendet ", sagt Thomas Enke, Mitarbeiter des PDS-Abgeordneten Rolf Kutzmutz.
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Besonders reizvoll an seinem Job findet Enke, für eine so kleine Fraktion zu arbeiten. So müssen bei der PDS häufig auch die Abgeordneten-Mitarbeiter Vortragstermine an der Parteibasis wahrnehmen. "Wichtig ist dabei nur, daß sie sich inhaltlich auskennen ", sagt er.
Auch Thomas Enke sieht in seiner Arbeit für einen Abgeordneten nicht das Ende seiner beruflichen Laufbahn. Er will zurück in den Journalismus. Seine Kenntnisse und seine Kontakte sieht er als gute Grundlage dafür.
Nicht mehr tauschen will Marianne Höpfner ihren Beruf als Mitarbeiterin des CSU-Abgeordneten Hansgeorg Hauser. Die 49jährige Mutter zweier Kinder ist als Sekretärin in der Parlamentarischen Gesellschaft, dem Clubhaus der Abgeordneten, auf den Geschmack gekommen, für einen Abgeordneten zu arbeiten. Nach einer 13jährigen Baby-Pause bewarb sie sich 1990 bei der Unionsfraktion - und landete in einem Abgeordnetenbüro. Die Nähe zur Politik, die Abwechslung und das selbständige Arbeiten sind die Dinge, die sie am meisten schätzt. Dabei lastet auf Marianne Höpfner viel Verantwortung: Sie ist die einzige Mitarbeiterin des bayerischen Parlamentariers.
Es überrascht sie trotz ihrer neunjährigen Tätigkeit immer wieder, mit welchen Anliegen sich die Menschen insbesondere aus dem Wahlkreis an ihren Abgeordneten wenden: "Zum Beispiel schickte uns ein völlig überschuldeter Mann seine Kontoauszüge offenbar im Glauben, daß wir sein Konto ausgleichen könnten. " Die Menschen in dem ländlichen Wahlkreis glaubten häufig, daß der Abgeordnete in Bonn fast alle Probleme lösen könne. Daß die Rheinländerin von der Arbeit im Abgeordnetenbüro nicht lassen kann, zeigt sich auch in der Bereitschaft, trotz Familie mit nach Berlin zu gehen und zwischen Bonn und der Bundeshauptstadt zu pendeln.
Die politische Auseinandersetzung schätzt Gabi Wimpelberg an ihrer Arbeit besonders. Ihr Abgeordneter sei immer dankbar für Hinweise, sagt sie über den Grünen-Abgeordneten Hans-Josef Fell. Bei den regelmäßigen Gesprächen mit seinen insgesamt drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist nicht allein sein politischer Standpunkt gefragt. Politisch aktiv ist Gabi Wimpelberg schon seit vielen Jahren. Mit politischer Arbeit Geld zu verdienen, wünschte sie sich, als sie zusammen mit ihrem Mann in die Nähe von Bonn zog. Nach einem Praktikum war ihre Bewerbung um eine Stelle bei einem Abgeordneten erfolgreich. "Ich könnte keine Duschkabinen verkaufen ", sagt sie. "Ich muß mit dem Herzen dabei sein. "