F.D.P.-ANTRAG GESCHEITERT
Bundesministerin Künast muss Unterschrift nicht zurückziehen
(vs) Nach einer lebhaften Debatte hat der Bundestag am 5. April den Antrag der F.D.P.-Fraktion ( 14/5765) abgelehnt, mit dem Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) aufgefordert werden sollte, ihre Unterschrift unter einen Aufruf zur Haftentlassung von Personen, die der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verdächtig seien, zurückzuziehen.
Nach Ansicht der Liberalen ist die Ende März 2000 erfolgte Unterstützung eines solchen Aufrufs, der auch die Forderung nach der Abschaffung einer gegen die Bildung terroristischer Vereinigungen gerichteten Vorschrift im Strafgesetzbuch (§ 129 a StGB) beinhalte, für ein Mitglied der Bundesregierung "nicht akzeptabel". Ob die Vorwürfe gegen die Verdächtigen zu Recht erhoben würden, könne nach dem Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung nur in einem Gerichtsverfahren geklärt werden, so der Antrag.
Dieter Wiefelspütz (SPD) warf den Freien Demokraten vor, sie wollten "Menschen persönlich beschädigen und Zensur ausüben", und forderte sie auf, "zu einer sachorientierten Oppositionspolitik zurückzukehren". Es sei kein Thema in der Bundesregierung, was eine Ministerin vor einem Jahr in ihrer früheren Eigenschaft als Parteivorsitzende als Meinung geäußert habe. Jörg van Essen (F.D.P.) hatte demgegenüber hervorgehoben, der Aufruf stamme zwar aus dem letzten Jahr, sei aber am 21. März dieses Jahres, einen Tag vor Beginn des Prozesses gegen die fraglichen Angeklagten, in der "taz" mit den alten Vorwürfen und Forderungen und der Künast-Unterschrift erneut erschienen. Zu diesem Zeitpunkt sei Frau Künast bereits Bundesministerin gewesen. Wenn sie ihren Amtseid ernst nehme, so van Essen, müsse sie ihre Unterschrift sofort zurückziehen.
Norbert Geis (CDU/CSU) pflichtete dem F.D.P.-Redner bei, dieser Aufruf bedeute einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz. Ministerin Künast beweise damit eine "Missachtung unserer Verfassung". In dem Aufruf komme, so der Unionspolitiker weiter, auch ein massives Misstrauen gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten und Staatsanwälten zum Ausdruck und bedeute im Gegenzug dazu nichts anderes "als die Stärkung der Position von Linksextremisten". Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) wies die Vorwürfe "mit Nachdruck" zurück. "Wir standen und stehen zu Bürgerrechten und rechtsstaatlichen Verfahren", erklärte sie. Das Strafrecht eines Rechtsstaates bestrafe nicht politische, religiöse oder weltanschauliche Gesinnung. Genau deswegen seien die Grünen für die Abschaffung des § 129a StGB. Dem werde sich die Union entschieden widersetzen, hatte dazu deren Redner betont. Der SPD-Vertreter hatte klargestellt, der fragliche Paragraf sei kein Thema einer Diskussion in der Koalition. Er werde so bleiben, wie er ist.
Nach Auffassung von Heidi Knake-Werner (PDS) allerdings ist der § 129 "rechtsstaatlich höchst umstritten" und fast ausschließlich ein "Sondergesetz gegen Linke". Zunehmend unerträglich sei es, dass Regierungsmitglieder nicht nach ihren Leistungen, sondern nach ihrer politischen Vergangenheit beurteilt werden sollten. Die PDS wolle nicht, dass jemand sein politisches Vorleben als Eintrittskarte in ein Regierungsamt streichen müsse.