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Kolloquium der WEU-Versammlung
Auf Einladung von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse veranstaltete die Versammlung der WEU (interimistische Europäische Versammlung für Sicherheit und Verteidigung) am 2. und 3. Mai 2001 im Berliner Reichstagsgebäude ein sicherheitspolitisches Kolloquium. Blickpunkt Bundestag befragte dazu den Präsidenten der Versammlung, den Bundestagsabgeordneten Klaus Bühler.
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Herr Bühler, welches Ziel hatte das Kolloquium?
Wir wollten sechs Jahre nachdem die europäischen Regierungen 1995 innerhalb der WEU zum ersten Mal im Kreis von 27 europäischen Staaten über Fragen der gemeinsamen Sicherheit in Europa gesprochen haben, auf neue Risiken und Gefahren aufmerksam machen und darüber mit möglichst vielen betroffenen Ländern diskutieren. Mir ist wichtig, dass Fragen der Sicherheit auch nach Nizza, wo die Gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik geschaffen wurde, über den Kreis von EU-Europa hinaus behandelt werden.
Wo liegen denn die neuen Risiken?
Die kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan haben es uns schmerzlich vor Augen geführt: Es sind heute vor allem innerstaatliche Konflikte sowie Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen auf einem Gebiet lebenden Ethnien (Volksgruppen, d. Red.), die uns beschäftigen. Sie können große Flüchtlingsbewegungen auslösen. Beachten muss man aber auch neue Konflikt- und Migrationsursachen, wie den Streit um natürliche Ressourcen, etwa Wasser oder Rohstoffe, ferner starkes Bevölkerungswachstum oder Naturkatastrophen. Der internationale Terrorismus und die Verbreitung von Kleinst- und Massenvernichtungswaffen sowie von Trägersystemen sind neue Gefahren für Europa, auf die wir mit möglichst vielen Staaten gemeinsam reagieren wollen. Durch unser parlamentarisches Kolloquium wird gegenseitiges Vertrauen geschaffen und das Bewusstsein für gemeinsame Probleme vermittelt.
Sind Sie enttäuscht, das es zwar russische, aber keinen amerikanischen Redner in Berlin gab?
Der amerikanische Redner saß zwar nicht im Plenarsaal, aber er hatte am Vortag in Washington gesprochen. Die Rede von Präsident Bush zum Thema Raketenabwehr am 1. Mai 2001 gab dem Kolloquium eine unerwartete Aktualität. Für den in seiner Rede angekündigten Dialog mit den europäischen Alliierten wäre das Kolloquium eine hervorragende Chance gewesen.
Halten Sie die amerikanischen Raketenabwehr-Pläne für realistisch?
Amerikaner glauben an die Möglichkeiten ihrer technologischen Fähigkeiten. Deshalb denke ich, dass man in den USA zumindest den Versuch unternehmen wird, eine weltraumgestützte Raketenabwehr zu schaffen. Auch wenn dies hohe Kosten, sowohl finanziell als auch politisch verursachen wird. Es gibt aber auch ein moralisch-ethisches Argument, das hierbei Motivation sein dürfte. Es erscheint demnach besser, eine Abwehr gegen eine Bedrohung durch Raketen zu entwickeln als ewig auf ein System der atomaren Abschreckung zu setzen, das Millionen Menschen als Geiseln nimmt und uns ständig mit der Vernichtung droht.