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Die Zukunft der Europäischen Union
Wohin steuert Europa?
Europa steht vor der Entscheidung: Wird es die Europäische Union schaffen, zusammen mit der bevorstehenden Erweiterung um ost- und südosteuropäische Staaten auch ihre Institutionen zu reformieren und damit den Grundstein für ein weiteres Zusammenwachsen zu legen? Oder kommt der Reformprozess angesichts auseinander driftender Interessen zum Stillstand? Blickpunkt Bundestag hat die Sprecher der fünf Bundestagsfraktionen gefragt, wie sie die Zukunft der Europäischen Union sehen.
Vor genau 50 Jahren begann der europäische Einigungsprozess mit der Unterzeichnung des Vertrags über die "Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl". Schon sechs Jahre später wurde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet. Sie hatte die schrittweise Verschmelzung der Volkswirtschaften und den – inzwischen weitgehend erreichten – europäischen Binnenmarkt zum Ziel.
Die Europäische Union (EU) wurde vom Europäischen Rat Ende 1991 in Maastricht beschlossen und zwei Jahre später in Kraft gesetzt. Ziel des Vertrags ist die Vollendung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, die inzwischen erfolgte Einführung der gemeinsamen Währung Euro in elf der heute 15 Mitgliedstaaten (als Zahlungsmittel allerdings erst ab 2001), der Aufbau einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie eine engere Verzahnung der Bereiche Justiz und Inneres. Mit dem Vertrag von Nizza (Dezember 2000) wurden dann wichtige Voraussetzungen für die bevorstehende Erweiterung der EU geschaffen.
1. Aufgaben und Ziele der EU
Die EU soll unter anderen in der ganzen Gemeinschaft eine ausgewogene und nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft und ihrer Wettbewerbsfähigkeit, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz anstreben. Weitere Ziele sind Verbesserung der Umwelt, Hebung der Lebensqualität und des Lebensstandards sowie die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts der Mitgliedstaaten.
Außerdem soll die EU einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufbauen. Dazu gehören zum Beispiel die Kontrolle der EU-Außengrenzen, Asyl und Zusammenarbeit im Zivilrecht. Als weitere zentrale Aufgabe der EU ist die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen vereinbart worden. Ziel ist die abgestimmte Bekämpfung von Schwer- und Bandenkriminalität. Hinzu kommt eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), zu der auch die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört.
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Die Flagge der Europäischen Union. |
2. Die Organe der EU
Die wichtigsten Organe der EU sind der Rat, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament.
Der Europäische Rat besteht aus den Staats- und Regierungschefs der 15 Mitgliedstaaten. Sie legen die Leitlinien der Gemeinschaft fest und fassen zudem Beschlüsse zu internationalen Problemen. Der Rat verfügt über Entscheidungs- und Rechtssetzungsbefugnis.
Neben den weitreichenden Kompetenzen des EU-Rats ist sein Abstimmungsverfahren besonders umstritten. Das gilt vor allem für die bei den meisten Grundsatzfragen erforderliche Einstimmigkeit, die nach Ansicht vieler Kritiker schnelle Fortschritte auf dem Weg zur europäischen Einigung verhindert.
Aber auch Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit sind nicht einfach zu erreichen. Dazu werden die Stimmen der einzelnen Länder nach (einem schwer nachvollziehbaren) Schlüssel gewichtet.
Mit den Beschlüssen von Nizza wurden die Länderstimmen neu gewichtet – einschließlich derer der Beitrittskandidaten (kursiv):
Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien je 29, Spanien und Polen je 27, Rumänien 14, Niederlande 13, Griechenland, Tschechische Republik, Belgien, Ungarn, Portugal je 12, Bulgarien und Österreich je 10, Slowakei, Dänemark, Finnland, Irland, Litauen je 7, Lettland, Slowenien, Estland, Zypern, Luxemburg je 4 und Malta 3 Stimmen.
Das sind insgesamt 345 Stimmen, wenn die EU-Erweiterung vorläufig abgeschlossen sein wird. Für eine qualifizierte Mehrheit sind 258 Stimmen nötig (74,8 Prozent). Außerdem müssen (auf Antrag) 62 Prozent der Gesamtbevölkerung durch den Beschluss repräsentiert werden – eine Bestimmung, die das Gewicht Deutschlands als bevölkerungsreichstem Mitgliedstaat erhöhen wird.
Nur geringe Fortschritte brachte Nizza beim Abbau des Einstimmigkeitsprinzips bei wichtigen Politiken. So kann der EU-Präsident künftig mit qualifizierter Mehrheit vom Rat gewählt werden. Die Verkehrspolitik muss nicht mehr einstimmig beschlossen werden, und bei Justiz-, Innen- und Industriepolitik gelang zumindest ein breiter Einstieg in Mehrheitsbeschlüsse. Ausgenommen bleiben aber weiterhin Asyl und Einwanderung.
Die Europäische Kommission ist praktisch die EU-Regierung. Sie besteht aus 20 Mitgliedern. Deutschland, Frankreich und Italien stellen je zwei Kommissare, die übrigen Länder je einen. Dazu kommt der Präsident. Die Kommission hat Initiativrechte auf fast allen Gebieten gemeinsamer Politik, mit denen sie Verordnungen und Richtlinien auf den Weg bringen kann. Sie ist zugleich ausführendes Organ aller Beschlüsse und Hüterin der Verträge. Die wichtigsten Entscheidungen allerdings fällt der EU-Rat alleine oder mit dem EU-Parlament.
Das EU-Parlament wird seit 1979 für jeweils fünf Jahre von den EU-Bürgern gewählt. Es arbeitet wie ein normales Parlament in Demokratien, hat aber nur eingeschränkte Rechte. Bei normaler Rechtssetzung ist es dem EU-Rat gleichgestellt. Gegen den Willen des Parlaments können also "europäische Gesetze" nicht verabschiedet werden. Dasselbe gilt für die Haushaltsfestsetzung und die Kontrolle des Etats. Das Parlament hat zudem allgemeinpolitische Kontrollrechte. Dennoch sind die Befugnisse begrenzt, indem ganze Politikbereiche (z. B. Fischerei) ohne Zustimmung des Parlaments umgesetzt werden können. Das Parlament hat 626 Abgeordnete, davon 99 aus Deutschland.
Die Arbeit des europäischen und des deutschen Parlaments ist eng verzahnt. Der Bundestag und sein EU-Ausschuss beteiligen sich in allen Stadien an der europäischen Gesetzgebung, an politischen Grundsatz- entscheidungen, an dem Reformprozess und an der Kontrolle der Institutionen der Gemeinschaft. Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Bundestages hat eine im Vergleich zu anderen Ausschüssen ganz besondere Stellung, weil seine Einrichtung im Artikel 45 des Grundgesetzes verankert ist.
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Das Europaparlament. |
3. Die Reformdebatte
Die Debatte über eine neue demokratischere Verfassung der EU gewann an Brisanz, als Bundeskanzler Gerhard Schröder jüngst seine Vorstellungen veröffentlichte, die in einem Leitantrag für den SPD-Parteitag zusammengefasst sind. Schröder plädiert für ein föderales Europa, das dem deutschen System nachempfunden ist. Der EU-Rat als bisheriges Machtzentrum soll danach zu einer Art Länderkammer, vergleichbar dem Bundesrat, umgeformt werden. Im Gegenzug will der Kanzler die EU-Kommission zu einer echten europäischen Regierung aufwerten und die Rechte des Parlaments konsequent ausbauen. Das erfordert weiteren Verzicht auf nationale Kompetenzen zu Gunsten der EU. Im Gegenzug sollen EU-Befugnisse an die Mitgliedstaaten zurückgegeben werden – etwa im Agrarbereich.
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Das Europaparlament. |
4. Die EU-Erweiterung
Sie ist ein entscheidender Motor der Reformdebatte. Bevor die Beitrittsländer in die EU aufgenommen werden, müssen sie allerdings strenge Kriterien erfüllen. Dazu gehören vor allem eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung sowie eine funktions- und wettbewerbsfähige Marktwirtschaft.
Nach dem Gipfel von Nizza stellt sich der Zeitplan folgendermaßen dar:
Juni 2002: Die EU schlägt im Rahmen einer Halbzeitbilanz eine verbesserte Agenda 2000 vor. Diese Reform der Agrarpolitik könnte dann im Sommer 2003 verabschiedet werden.
Dezember 2002: Die ersten Beitrittsverträge werden unterzeichnet und anschließend von allen nationalen Parlamenten ratifiziert.
Frühjahr 2004: Ein EU-Ratstreffen verabschiedet die neue EU-Verfassung (vgl. Reformdebatte). Gleichzeitig beginnt die EU-Erweiterung. Aussichtsreichste Kandidaten sind Estland, Malta, Polen, Slowenien und Tschechien.
2006: Die zweite Beitrittsrunde mit Lettland, Litauen, Slowakei und Zypern könnte folgen. Möglicherweise werden auch Bulgarien und Rumänien aufgenommen.
Bisher geht die EU (EU-Rat Berlin 1999) von anfangs 12 Milliarden Euro Mehrkosten im Zuge der Erweiterung aus, die sich 2006 auf 18 Milliarden Euro erhöhen. Ein knappes Drittel davon muss Deutschland aufbringen.
Handlungsfähig durch Reformen
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Günter
Gloser, SPD guenter.gloser@bundestag.de |
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Bundeskanzler Schröder hat mit seinen europapolitischen Vorschlägen der Debatte um die Zukunft der Europäischen Union neuen Schwung gegeben. Neben den wichtigen Aussagen zu den einzelnen Fachpolitiken – also zum Beispiel zum Euro, zur Wende in der Agrarpolitik oder zur Subsidiarität – enthält der Antrag klare politische Ziele für die Weiterentwicklung der europäischen Institutionen. Es ist kein Zufall, dass diese Fragen im Mittelpunkt der europaweiten Diskussion standen. Im Einzelnen wollen wir:
• die Weiterentwicklung der Europäischen Räte zu einer Staatenkammer, in der die legislative Arbeit der Europäischen Räte konzentriert werden muss,
• den Ausbau der Kommission zu einer starken europäischen Exekutive, die ihre besondere Stellung als Hüterin der Verträge behalten muss und
• eine Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments durch Ausweitung der Mitentscheidung sowie Budgethoheit, damit das Europäische Parlament endlich über den gesamten EU-Haushalt mit entscheiden kann.
Wir streben ein europäisches System der Gewaltenteilung zwischen der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament an, das den Grundsätzen von demokratischer Legitimität und Transparenz der Entscheidungen auf europäischer Ebene entspricht. Durch eine klare Aufgabenzuweisung muss die politische Verantwortung der europäischen Ebene und der Mitgliedstaaten in nachvollziehbarer Weise abgegrenzt werden. Nur so wird für den Bürger klar erkennbar sein, wer welche Politik zu verantworten hat.
Mit ihrem Leitantrag nimmt die SPD die erweiterungsbedingten Herausforderungen an. Wir können sie bewältigen, wenn wir die europäischen Institutionen durch Reformen stärken und so auch nach der Erweiterung handlungsfähig halten.
Reden allein genügt nicht
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Peter Hintze,
CDU/CSU peter.hintze@bundestag.de |
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Die zurückliegenden Jahrzehnte haben gezeigt, dass Wohlstand und Sicherheit auf Dauer am besten in einem starken Verbund mit verlässlichen Partnern zu gewährleisten sind. Viele Aufgaben, etwa in der Wirtschafts- oder Sicherheitspolitik, kann heute kein Land mehr allein erfolgreich meistern. Deshalb wollen wir die Zusammenarbeit in der EU weiter intensivieren und die EU um die Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas erweitern, wenn sie hierfür reif sind. Dies ist die europäische Antwort auf die Herausforderung der Globalisierung.
Die Europäischen Institutionen wurden einst für sechs Staaten geschaffen und nur unvollkommen weiterentwickelt. Damit die EU im 21. Jahrhundert voll handlungsfähig bleibt, muss sie jetzt umfassend reformiert werden:
• Das Europäische Parlament sollte zum Zentrum der europäischen Gesetzgebung und der Kontrolle der Europäischen Kommission werden.
• Die EU-Kommission sollte dort gestärkt werden, wo die EU exekutive Befugnisse hat.
• Der Ministerrat sollte auf seine Zuständigkeiten bei der Rechtssetzung konzentriert werden. Notwendig ist es auch, die Abstimmungsverfahren deut.lich zu vereinfachen.
• Ein Verfassungsvertrag der EU sollte an Stelle der heutigen Europäischen Verträge übersichtlicher gestaltet werden, die Zuständigkeiten der EU-Organe regeln, die Kompetenzen zwischen EU und Mitgliedstaaten klarer abgrenzen und die europäischen Grundrechte enthalten.
CDU und CSU haben bereits im letzten Jahr eine große EU-Reform vorgeschlagen. Bundeskanzler Schröders jüngste Äußerungen weisen in die gleiche Richtung. Doch sein Reden allein genügt nicht. Seine Aufgabe ist es, die EU-Reform durchzusetzen und hierfür Verbündete zu suchen.
Spiegel der Vielfalt Europas
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Christian
Sterzing, B'90/Grüne christian.sterzing@bundestag.de |
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Der deutsche Bundeskanzler und der französische Ministerpräsident haben in den letzten Wochen der europäischen Verfassungsdebatte neuen Schwung verliehen. Deutlich wird aber auch: Die Frage der EU-Reformen ist stark von nationalen Traditionen und Erfahrungen geprägt. So stoßen die "sehr deutschen", bundesstaatlichen Vorschläge des Kanzlers in Frankreich auf Kritik, während in den französischen Vorstellungen aus unserer Sicht ein Übergewicht der nationalen Regierungen zu beklagen ist. Einig sind wir uns grenzüberschreitend in der Forderung nach Stärkung des Europäischen Parlamentes. Als einzig direkt gewähltem EU-Organ gebührt ihm das volle Mitentscheidungsrecht in allen Politikfeldern! Die Mitgliedstaaten müssen in einer zweiten Kammer am europäischen Gesetzgebungsprozess beteiligt werden. Doch hier gehen die Vorstellungen noch weit auseinander – auch in Deutschland.
Kritisch betrachten wir die Überlegungen im SPD-Leitantrag, weite Bereiche der Regionalpolitik zu renationalisieren. Die europäische Integration basiert nicht nur auf dem Prinzip der Subsidiarität, sondern vor allem auf dem der Solidarität. Der legitime Wunsch, Entscheidungsspielräume für die Regionen zurückzugewinnen, darf nicht dazu führen, dieses Grundelement der europäischen Integration abzuschaffen. Die Anhebung des Entwicklungsniveaus in den weniger privilegierten Regionen der EU ist in unser aller Interesse.
Wir stehen erst am Anfang der Debatte. Unterschiedliche Vorstellungen müssen hier produktiv genutzt werden. Es wird keine deutsche, keine französische EU geben. Die Herausforderung besteht darin, vor dem Hintergrund unterschiedlicher staats- und verfassungsrechtlicher Traditionen ein gemeinsames europäisches Modell zu entwickeln, in dem sich die Vielfalt Europas widerspiegelt.
Wieder europäischer denken
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Helmut
Haussmann, F.D.P. helmut.haussmann@bundestag.de |
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Die europapolitischen Vorstellungen von Schröder greifen mit Verspätung wesentliche Strukturelemente liberaler Europapolitik auf. Dies gilt insbesondere für unsere Forderung, eine funktionsfähige EU mit effizient arbeitenden Organen und klaren Kompetenzen zu schaffen. Auf eine handlungsfähige Europäische Union sind wir mehr denn je angewiesen. Die Liberalen können nur begrüßen, dass der Bundeskanzler nun endlich auch das Europäische Parlament (EP) stärken will. Volle Budgethoheit, die das EP nach Schröders Vorstellung bekommen soll, ist ein konstitutiver Bestandteil jedes funktionierenden Parlaments.
Der Europäische Rat wird im Dezember das Mandat für den europäischen Verfassungsprozeß erteilen. Die Verfassung muss, ähnlich der Grundrechtecharta, in einem Verfahren erarbeitet werden, das so viele Elemente des so genannten Konventmodells enthält wie möglich, also die nationalen Parlamente und das EP weitestgehend einbezieht.
Insgesamt kommt es darauf an, die Europäische Union zu einem gleichwertigen Partner in einer globalisierten Welt zu machen. Nur so kann auch der Euro wieder stark werden. Wir werden die Bundesregierung daran messen, inwieweit sie konkret Fortschritte erzielt. Das klägliche Ergebnis des Gipfels in Nizza stimmt dabei sehr skeptisch. In das Mandat des Gipfels im belgischen Laeken muss die Verpflichtung aufgenommen werden, die Versäumnisse von Nizza nachträglich auszubügeln. Entscheidend sind die generelle Einführung von Mehrheitsentscheidungen und die Vereinfachung der Entscheidungsmechanismen im Rat. Die deutsche Politik muss wieder europäischer denken, nationale Egoismen dürfen nicht länger im Vordergrund stehen. Dies gilt im Übrigen auch für die Erweiterung der EU, für die noch sehr viel stärker als bisher Überzeugungsarbeit geleistet werden muss.
Primat der Politik neu gewinnen
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Uwe Hiksch,
PDS uwe.hiksch@bundestag.de |
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In der öffentlichen Diskussion wurde die europapolitische "Vision" Gerhard Schröders im Dienste des nächsten SPD-Parteitages vor allem auf die Frage der zukünftigen institutionellen Gestalt der EU verengt. Hier hat der SPD-Antrag aus Sicht der PDS auch einiges anzubieten, wie die Stärkung der EU-Kommission als Exekutive und die Ausweitung der Rechte des Europäischen Parlamentes bis hin zur Budgethoheit.
Fragt man aber nach dem europäischen Projekt jenseits institutioneller Arrangements, so fällt das Urteil negativ aus: Von einer Neuausrichtung des europäischen Projektes zu einer Beschäftigungs- und Sozialunion ist in der Neuen Sozialdemokratie nicht (mehr!) die Rede. Stattdessen soll zum Beispiel die Liberalisierung von Strom, Gas oder der Post nur noch "sozialverträglich" gestaltet werden. Der Sozialist Lionel Jospin findet hier deutlichere Worte: "Europa weigert sich, wirtschaftlichen Wohlstand und sozialen Fortschritt voneinander zu trennen", und deshalb fordert er konsequent, dass "wirtschaftliche Kohärenz in den Dienst der sozialen Sicherheit gestellt werden muss".
Vollends unglaubwürdig wird Gerhard Schröder, wenn er eine Renationalisierung der Strukturpolitik vorschlägt. Dies mag das populäre Nettozahler-Vorurteil bedienen; eine solidarische, auf den Ausgleich sozialer Unterschiede ausgerichtete Politik wird dann unmöglich und damit das europäische Projekt als Ganzes in Frage gestellt.
Die europäische Integration angesichts der Globalisierung bietet die Chance, das Primat der Politik zurückzugewinnen. Sie darf dann aber nicht auf eine Freihandelszone für die Wirtschaft verkürzt werden. Deshalb setzt sich die PDS dafür ein, der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung eine soziale und politische Dimension zur Seite zu stellen.