Serie
"Das Stiftungsrecht reformieren - die Kultur des Gebens stärken"
Die Präsidiumsmitglieder in Blickpunkt Bundestag
An der Spitze des deutschen Parlaments stehen Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und seine fünf Stellvertreter, die Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten. Sie bilden gemeinsam das Präsidium des Deutschen Bundestages. In dieser und den folgenden Ausgaben werden sie sich in Blickpunkt Bundestag mit Themen befassen, die ihnen ganz besonders am Herzen liegen. Vizepräsident Rudolf Seiters (CDU/CSU) macht den Anfang mit einem Beitrag zum Stiftungsrecht.
Neben dem klassischen Ehrenamt zählt das Stiftungswesen zu den tragenden Säulen eines eigenverantwortlichen wie selbstbewussten Engagements einer gemeinwohlorientierten Bürgergesellschaft. Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog hat über das Stiftungswesen treffend gesagt: "Stiftungen sind Pioniere auf dem Weg zur unmittelbaren, spontanen, dezentralen, effizienten, vielfältigen Verbindung von unternehmerischer Dynamik und Dienst am Gemeinwohl." Insofern ist die Politik gut beraten, sich für eine Renaissance der Kultur des Gebens stark zu machen.
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Vizepräsident Rudolf Seiters. | ||||||||||
Der Stiftungsgedanke ist, wie bereits die Wortgeschichte belegt, nicht neu und geht auf die urchristliche Idee der "caritas" zurück. Die Vereinigten Staaten sind heute mit weit über 40.000 Stiftungen das Land mit der wohl ausgeprägtesten Tradition von "benefit" und "charity". In Deutschland beobachten wir erfreulicherweise seit den 90er Jahren eine Wiederbelebung der "Kultur des Gebens"; binnen kurzer Zeit hat sich die Zahl der Stiftungen im Vergleich zu den 80er Jahren nahezu verdoppelt. Diesen neuen Geist sollte die Politik nicht bremsen, sondern weiter beflügeln. Erste Schritte in die richtige Richtung hat der Bundestag bereits getan. Die bisher geübte Zurückhaltung in Deutschland gründete in der Hauptsache in den rechtlichen und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen.
Der Bundestag hat am 8. Juni 2000 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen verabschiedet; das Gesetz ist rückwirkend zum 1. Januar 2000 in Kraft getreten und hat einige steuerliche Verbesserungen gebracht; in puncto Rücklagenbildung, Großspenden und Zustiftungen bedarf es freilich der Nachbesserung. Doch damit wurde nur eine Hälfte der Brücke an das Ufer eines stiftungsfreundlicheren Landes gebaut, die andere Hälfte, eine zivilrechtliche Reform, steht bis heute aus. Gegenwärtig haben wir neben den wenigen Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 80 ff. BGB) nahezu 500 Einzelnormen in den Landesgesetzen sowie eine Vielzahl von Verordnungen bzw. Verwaltungsvorschriften, die das Stiftungswesen regeln. Das hat zu einer sehr unterschiedlichen Verwaltungspraxis und mancherorts zu Frust und Rechtsunklarheit bei Stiftungsgründern geführt. Hier müsste eine Reform ansetzen, die insbesondere dem Stiftungsanliegen in der Praxis entgegenkommt. Dieser Intention folgend verzichtet das am 1. September dieses Jahres in Kraft getretene neue Bayerische Stiftungsgesetz auf eine Vielzahl praktizierter Genehmigungsvorbehalte und räumt einen Rechtsanspruch auf Genehmigung ein. Der von der CDU/CSU-Fraktion in den Bundestag eingebrachte Antrag zur Reform des Stiftungsrechtes sieht vor, die Verwendung der Bezeichnung Stiftung an die Gemeinnützigkeit zu binden und die Aufsicht länderübergreifend organisierten Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts, in denen die Stiftungen Mitglied sind, zu übertragen.
Durch einen öffentlich zugänglich gemachten Jahresbericht soll die Transparenz über die Verwendung der Stiftungserträge ohne großen Verwaltungsaufwand sichergestellt werden. Darüber hinaus sind erhebliche steuerrechtliche Verbesserungen vorgesehen, um die Bereitschaft zur Finanzierung gemeinwohlorientierter Vorhaben zu fördern. Dazu gehört eine weitaus höhere Abzugsfähigkeit von Spenden, die Möglichkeit der steuerfreien Einbringung von Betriebsvermögen in Stiftungen, die steuerfreie Übertragung von Grundstücken sowie die Einführung einer Bonusregelung im Rahmen der Erbschaftssteuer. Insbesondere die Möglichkeit, sich durch Zustiftungen an dem Aufbau von bereits bestehenden kleineren Stiftungen zu beteiligen, bedeutet eine erhebliche Stärkung der Pluralität des Stiftungswesens.
Wir brauchen die Reform, damit wir die Chance der Wiederbelebung einer "Kultur des Gebens" nicht verspielen. Der Bürger soll für das Gemeinwohl tun können, was er selber leisten will und der Staat nicht leisten kann. Deutschland braucht ein einfaches, übersichtliches, bürgerfreundliches und gemeinwohlorientiertes Stiftungsrecht, das privates Engagement ermutigt und das Gemeinwohl fördert. Wir sollten das "Internationale Jahr der Freiwilligen" nutzen, um im Parlament eine langfristig tragfähige Brücke zu bauen.