EXPERTEN IM INNENAUSSCHUSS
"Stasi-Unterlagen-Gesetz hat sich weitestgehend bewährt"
(in) Das Stasi-Unterlagen-Gesetz hat sich weitestgehend bewährt. Darin sind sich die Sachverständigen, die am 25. April zu einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses eingeladen wurden, in ihren Stellungnahmen einig. Die Behörde der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen erledige gute und erfolgreiche Arbeit und trage entscheidend zur zeitgenössischen Forschung über die DDR-Diktatur und die Stasi-Tätigkeit bei.
Aus den Gutachten geht überwiegend hervor, dass dabei das Persönlichkeitsrecht von Personen der Zeitgeschichte, Inhabern politischer Funktionen und Amtsträgern in Ausübung ihres Amtes durch die Veröffentlichung personenbezogener Daten nicht unverhältnismäßig verletzt worden ist. Mehrheitlich wird die Auffassung vertreten, dass die Rechtsprechung und Archivgesetzgebung bei Personen der Zeitgeschichte eine andere Rechtsgüterabwägung vornehme als bei Normalbürgern.
Die Interessen der Öffentlichkeit und damit die Informations- und Wissenschaftsfreiheit würden schwerer wiegen als das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch die Tatsache, dass die Daten auf rechtsstaatswidriger Basis erhoben wurden, mache eine persönlichkeitsgeschützte Nutzung nicht per se fragwürdig. Außer Frage stehe, dass Daten aus der Intim- und Privatsphäre weder an Wissenschaftler noch an Medienvertreter herausgegeben werden dürfen.
Neue Lage nach Urteil
Das Bundesverwaltungsgericht hatte im März auf Grund einer Klage Helmut Kohls entschieden, dass die bisherige Praxis der Behörde rechtswidrig sei. Sie übersehe in Paragraf 32 des Gesetzes den Halbsatz, der die Veröffentlichung nicht zulasse, soweit die Personen "Betroffene oder Dritte" sind. Die Sachverständigen weisen darauf hin, dass dieser Halbsatz die Veröffentlichungsmöglichkeit personenbezogener Daten nahezu aufhebe, da alle der dort genannten Personen von der Stasi überwacht worden seien und somit "Betroffene" oder "Dritte" sind. Davon würden auch ehemalige DDR- oder Stasi-Funktionäre erfasst, die von der Stasi bespitzelt wurden.
Wie der Präsident des Bundesarchivs, Hartmut Weber, betonen die Experten die Bedeutung des Quellenfundus für die historische und gesellschaftliche Aufarbeitung der DDR. Die Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, legt in ihrer Stellungnahme dar, die bisherige Praxis der Behörde habe einen umfassenden Schutz der Opfer gewährleistet. Im Zusammenhang mit der Herausgabe von Unterlagen an Forschung und Medien habe es bisher lediglich in zwei Fällen gerichtliche Auseinandersetzungen gegeben.
"Gesetz ändern"
Die Sachverständigen sprechen sich daher größtenteils dafür aus, den kontroversen zweiten Halbsatz im Paragrafen 32 zu streichen. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht in Brandenburg, Alexander Dix, hält es wie Hartmut Weber für sinnvoll, das Stasi-Unterlagen-Gesetz mittelfristig in das Bundesarchivgesetz zu integrieren.
Demgegenüber vertreten Roland Bachmeier, Direktor beim Bundesamt für Datenschutz, und Horst Möller vom Institut für Zeitgeschichte die Ansicht, dass das Gesetz ein Opferschutzgesetz sei. Der Konflikt zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Wissenschaftsfreiheit dürfe nicht zu Lasten der Opfer von Stasi-Überwachungen gelöst werden. DDR-Funktionäre könnten ihrer Ansicht nach im Gesetz von der Veröffentlichungssperre ausgenommen werden.