Gute Geschenke kommen von Herzen
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Vitrine
mit kleinen Geschenkartikeln des Bundestages. |
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Marie-Luise Thiele arbeitet in der Zentralen Beschaffung des Deutschen Bundestages. Ihre Aufgabe ist es, anderen eine Freude zu bereiten - eine traumhaft schöne Arbeit, findet sie.
Wahrscheinlich ist es schon oft vorgekommen, dass jemand gedacht hat: „Diese Frau ist ein Geschenk des Himmels.“ Denn Marie-Luise Thiele sorgt dafür, dass man nicht mit leeren Händen dasteht, sondern denen, die einem große und herzliche Gastfreundschaft haben angedeihen lassen, eine Freude macht. Marie-Luise Thiele kümmert sich um Gastgeschenke. Ob sie diese Arbeit oder die Arbeit sie gefunden hat, ist schwer auszumachen. Klar ist nur: Die eine ist für das andere wie geschaffen. Sie kann an den Dingen nicht vorbeigehen, ohne sie auf ihre Tauglichkeit als Geschenk zu prüfen. Sie liebt es, Menschen zu beraten und herauszufinden, was zu unbekannten Gastgebern in fernen Ländern passen könnte. Sie liebt es, kreative Einfälle zu haben und diese umzusetzen. Sie liebt es, Dinge zu kaufen, um sie dann jemandem zu geben, der auf Reisen geht und Gast sein wird. Wer Marie-Luise Thiele in ihrem Büro sieht, weiß nach dem ersten Blick, dass hier jemand mit einer glücklichen Hand agiert. Dazu muss es erst einmal kommen.
Wenn Abgeordnete des Bundestages auf Ausschuss- oder Delegationsreisen ins Ausland gehen, die der Bundestagspräsident genehmigt hat, haben sie die Möglichkeit, Geschenke mitzunehmen. Es sollen Präsente sein, mit denen der Dank für große Gastfreundschaft, besonders erfolgreiche oder Erfolg versprechende Zusammenarbeit ausgedrückt wird. „Schenken“, sagt Frau Thiele, „soll keine Routine sein. Hinter einem Geschenk, das vom Deutschen Bundestag kommt, steht auch immer unser Land. Es ist sicher nur eine Geste, aber falsche Gesten können viel kaputt machen.“ Um den protokollarischen Erfordernissen und Feinheiten bei einem Besuch zu entsprechen, sind die Gastgeschenke in fünf Kategorien eingeteilt. Da braucht es Rat, welches Geschenk für welche Persönlichkeit geeignet ist.
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Marie-Luise Thiele hat ein Budget zur Verfügung, um Geschenke einzukaufen. Vielfalt, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, hoher Gebrauchswert und anspruchsvolles Design - vor allem auch Artikel, die einen erkennbaren Deutschlandbezug aufweisen - sind Kriterien, nach denen sie auswählt. Wer Geschenke mitnimmt, hat am Ende Rechenschaft darüber abzulegen, wem was überreicht wurde. Darüber führt Frau Thiele akribisch Buch. „Mit Haushaltsmitteln muss man so umgehen, als seien es die eigenen. Also braucht es Verhandlungsgeschick und Sorgfalt im Umgang mit den Dingen.“
Die Geschenke zu beschaffen, gehört zum schönsten Teil der Arbeit: im Internet auf die Suche gehen, auf Messen fahren, einkaufen, selbst Ideen entwickeln und Unternehmen suchen, die diese Ideen umsetzen können. Erst kürzlich hat Marie-Luise Thiele aus Papier einen Entwurf für eine Schmuckrolle gemacht und eine Firma beauftragt, nach dem Entwurf die Rolle aus feinem Leder zu fertigen. „Ich habe in den Jahren meiner Arbeit hier viele Geschenkideen für Frauen entwickelt. Diese Kette zum Beispiel aus mattem Edelstahl enthält eine Uhr. Ein schönes und dekoratives Schmuckstück. Oder diese Seidentücher. Schreibgeräte, die Frauen gern in die Hand nehmen, - das alles sind Dinge, die ich selbst gern verschenkte.“ Die Reisenden und Schenkenden fühlen sich wohl damit, das sagen sie auch oft. Wenn einem ein Geschenk selbst gefällt, wenn es gut in der Hand liegt, sich angenehm anfühlt, modern und repräsentativ zugleich ist, wenn es etwas über das Land sagt, aus dem es kommt, dann wird es auch von Herzen gegeben.
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In dem kleinen Büro von Marie-Luise Thiele stehen drei Glasvitrinen an der Wand. Wie in einem Verkaufsraum sind in ihnen alle Geschenke dekorativ und gut beleuchtet ausgelegt, so dass man in Ruhe schauen, bewundern, sich beraten lassen und auswählen kann. Manchmal verirrt sich der Blick auf all die anderen Sachen im Büro, die Marie-Luise Thiele sich selbst gekauft und zu ihrer eigenen Freude hingestellt hat. Dann zeigt jemand auf eine der blauen Glasgefäße und fragt, ob dies auch ein Gastgeschenk sei. Und auch wenn die Antwort dann abschlägig ist, zeigt die Frage doch, dass die Frau in dem Büro über einen untrüglichen Geschmack verfügt.
In den vergangenen Jahren sind viele neue Geschenke dazugekommen, sie tragen die Handschrift von Marie-Luise Thiele, die Edelstahl, Leder und Glas mag, klare Formen, Funktionalität, modernes Design. Es gibt wunderschöne Trinkschalen, Uhren, Lederhüllen für CDs, Fern- und Operngläser, Kalender, Radios, den kleinsten Schirm der Welt, aber auch Geschenke mit ideellem Wert, wie zum Beispiel Silbermedaillen mit dem Reichstagsmotiv oder dem Brandenburger Tor. Sehr ansprechend sind die edlen Bleistiftsets in den Deutschlandfarben, die Marie-Luise Thiele eigens für den Bundestag so herstellen ließ. Alle Artikel sind mit einer Gravur oder einem Aufdruck des Bundestagsadlers versehen.
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Alle Sachen haben Esprit und manche Witz, beispielsweise das Gebäck, auf dem aus farbigem Zuckerguss Bilder von Berlin zu sehen sind. Essbar natürlich. Es gibt Geschenke, die sind die ganzen Jahre über im Repertoire geblieben - die hochwertige Bach-Edition beispielsweise, manche Bildbände über Berlin. Aber was unmodern oder überlebt ist, findet keine Gnade bei Marie-Luise Thiele.
Bei der Auswahl der Geschenke sind viele Dinge zu beachten. Nie sollte ein Fauxpas unterlaufen. Das Opernglas kann nicht in einer Stadt verschenkt werden, die keine Oper hat, Ledersachen gehen nicht nach Indien, Silber und Gold nicht in arabische Länder, wo diese Edelmetalle viel weniger wert sind als hier zu Lande. Wenn die Auswahl getroffen ist, werden die Dinge verpackt. Und auch hier soll jedes Detail stimmen: schönes Papier, passendes Band, kleine silberne oder goldene Aufkleber mit dem Bundestagsadler.
Das alles geht Marie-Luise Thiele leicht von der Hand. Sie liebe ihre Arbeit, sagt sie, die eine studierte Ingenieurin ist und bevor sie in den Bundestag kam, viele Jahre im Statistischen Bundesamt gearbeitet hatte. „Als ich vor drei Jahren die Stellenausschreibung des Bundestages sah, dachte ich, das ist mein Traumjob. Ich bin zu dem Bewerbungsgespräch gegangen und sprach über viele Ideen, die man verwirklichen könnte. Und dann habe ich gedacht, neue Besen kehren gut, also werde ich ein paar Sachen verbessern, die bewährten Dinge beibehalten und neue ausprobieren. Es fällt mir schwer zu gehen.“
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Und doch wird Marie-Luise Thiele im September den Bundestag verlassen und den Weg der Altersteilzeit nutzen. Wer sie sieht, glaubt es nie und nimmer. Sie spricht, bewegt sich, kleidet sich, strahlt aus, als gäbe es in ihrem Wortschatz den Begriff „Ruhestand“ nicht. Was wird sie tun mit so viel Energie?
„Reisen, so viel und so lange ich kann, malen, schöne Sachen erfinden und gestalten, ein Kochbuch schreiben. Für Freunde vielleicht nur“, schickt sie hinterher. „Ich koche leidenschaftlich gern und schriebe gern ein Kochbuch über Gerichte, die in der DDR im kreativen Umgang mit dem Mangel gekocht und unter Kollegen ausgetauscht wurden. Und wenn ich auf Reisen gehe, werde ich wohl immer nach Geschenken Ausschau halten.“
Fast möchte man die Stelle einer Beraterin für Geschenke erfinden, damit Marie-Luise Thiele dem Bundestag nicht verloren geht. Es ist eine schöne Idee, sich vorzustellen, dass auch künftig Abgeordnete mit Dingen im Gepäck reisen, die sie gefunden, entdeckt, ausgedacht oder gar selbst entworfen hat und die als Geste des Dankes an freundliche Gastgeber verschenkt werden.
Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier