Die Fraktionssäle im Reichstagsgebäude
Entscheidungen aus vier Himmelsrichtungen
Norden, Osten, Süden, Westen: Auf der Fraktionsebene im Reichstagsgebäude liegen die Versammlungsräume der Fraktionen. Hier werden die Weichen gestellt für die Entscheidungen im Plenum.
Der SPD-Fraktionssaal
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Im Südwesten des Reichstagsgebäudes tagt die SPD-Fraktion. Sie hat ihren Saal nach Otto Wels benannt – dem letzten SPD-Fraktionschef des Reichstages, der mit seiner Rede gegen das nationalsozialistische Ermächtigungsgesetz in die Geschichte einging. „Wir haben es uns in dem Saal heimisch gemacht“, erläutert der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Wilhelm Schmidt mit Hinweis auf ein riesiges Fries der Künstlerin Hella Santarossa. Das Kunstwerk hatte zuvor in zwei Hälften im Bonner Fraktionssaal und in der Bonner Parteizentrale der SPD gehangen. Der benachbarte Fraktionsvorstandssaal trägt den Namen von Marie Juchacz, der ersten Parlamentarierin, die nach dem Erkämpfen des aktiven und passiven Wahlrechtes für Frauen am 19. Februar 1919 eine Rede in einem deutschen Parlament halten konnte.
Der CDU/CSU-Fraktionssaal
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Im Südosten des Reichstagsgebäudes liegt der Sitzungssaal der CDU/CSU-Fraktion. „Wir haben uns daran gewöhnt“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Volker Kauder – mit der gebremsten Begeisterung erinnert er an den Fraktionssaal in Bonn mit seiner breiten Fensterfront zum Rhein hinaus mit Blick auf das historische Wasserwerk. Die Architektur des Reichstagsgebäudes erlaubt solche Ausblicke nicht. Dafür fällt durch große transparente Pultdachflächen viel Licht in den Saal. Die Sitzordnung der Unionsabgeordneten orientiert sich an den Landesgruppen. Ein Kreuz ist an einer der Wände angebracht. Die großen Fraktionssäle werden auch für größere Anhörungen der Bundestagsausschüsse genutzt, da sie rund 350 Menschen Platz bieten.
Der Fraktionssaal von Bündnis 90/Die Grünen
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„Sehr hoch, aber leider nicht sehr groß“, so umschreibt der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, den Saal seiner Fraktion, der sich im Nordwesten des Reichstagsgebäudes befindet. Auch hier waren keine Durchbrüche der Fassade möglich, so dass es lediglich kleine Fensterreihen hoch oben im Turm am Ende der weiß gestrichenen Ziegelwände gibt. Bei der Konzeption der Säle ging der Bundestag noch von der Notwendigkeit von zwei sehr großen und drei kleinen Räumlichkeiten für die Fraktionen aus. Nun, da die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen eine eher „mittlere“ Größe angenommen habe, werde es mitunter doch schon ziemlich eng, erläutert Beck. Für ihn ist somit klar: „Wenn wir noch weiter wachsen, stellt sich die Frage nach dem Wohin.“
Der FDP-Fraktionssaal
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Der im Nordosten gelegene Sitzungssaal der FDP-Fraktion trägt den Namen des liberalen Außenministers der Weimarer Republik, Walter Rathenau. Auch den benachbarten Fraktionsvorstandssaal hat die FDP nach einem liberalen Reichskanzler und Außenminister jener Zeit, nach Gustav Stresemann benannt, um so „die demokratische Kontinuität im Reichstagsgebäude deutlich zu machen“, wie der Parlamentarische Geschäftsführer Jörg van Essen unterstreicht. Auch dieser Saal ist in einem der Reichstagstürme untergebracht und deshalb sehr hoch. Auch hier wird das Blau einer umlaufenden Verkleidung weiter oben abgelöst von weißem Mauerwerk. Die FDP hat ein Porträt von Außenminister Rathenau aufgehängt und außerdem einen den Bundesadler darstellenden Holzschnitt des Künstlerehepaares Wagner.