Um das politische Erbe des Republikgründers, Ayatollah Khomeini, tobt in der "Islamischen Republik Iran" seit Wochen ein heftiger Machtkampf zwischen Konservativen und Reformern. Dieser kann als ein weiterer Beleg für den Stillstand des Landes angesehen werden. Streitpunkt war die Zulassung der Kandidaten zur Parlamentswahl 2004. Der Wächterrat, bestehend aus sechs Geistlichen und sechs Laien, verhinderte die Aufstellung zahlreicher Reformkandidaten. Aus Protest dagegen hatte ein Drittel der Abgeordneten ihr Mandat niedergelegt. Sie warfen den Konservativen vor, Khomeinis Erbe zu verraten, der eine islamische Republik und keine islamische Herrschaft habe etablieren wollen. Bisher ist es den Konservativen gelungen, den Wächterrat für ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren. Dieser Konflikt lief in letzter Minute wieder auf einen Kompromiss hinaus.
Ein Blick auf 25 Jahre islamischer Herrschaft im "Gottesstaat" Iran wirft die Frage auf, welche Beurteilungskriterien bei einer Bilanz angelegt werden. Vom Standpunkt der Systemstabilität aus betrachtet, fällt die Antwort positiv aus, vom wirtschaftlichen, sozialen oder demokratischen Blickwinkel ist sie eher negativ, wie Wilfried Buchta darlegt. Auf die Defizite bei der Reform des politischen Systems weisen sowohl Katajun Amirpur als auch Mehdi Parvizi Amineh hin. Sie gelangen zu ähnlichen Schlussfolgerungen: Sowohl Amirpur als auch Amineh lehnen jegliche Einmischung seitens der USA ab und setzen ganz auf Reformen von innen. Für Amineh sind die Tage des theokratischen Regimes ohnehin gezählt.
Iran steht vor zwei großen Herausforderungen: Die wirtschaftliche Lage ist schlecht, und die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika sind seit 25Jahren zerrüttet. Nach der Zuordnung Irans zu einer "Achse des Bösen" durch US-Präsident George W. Bush und angesichts einer erdrückenden Militärpräsenz der USA im Mittleren Osten hat die nationale Sicherheit des Landes höchste Priorität, wie Ruhollah K. Ramazani in seinem Essay feststellt. Trotz der politischen Verwerfungen haben beide Seiten erste Signale einer Annäherung ausgesandt. So hat Iran das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, und die USA haben sich großzügig an der Bewältigung der Folgen des Erdbebens in der Stadt Bam beteiligt. Wie stark der Einfluss der USA seit dem Zweiten Weltkrieg in Iran gewesen ist, beschreibt Mangol Bayat-Philipp. Dieser reichte vom Sturz des Demokraten Mosaddeq über die intensive Unterstützung des Autokraten Schah Reza Pahlevi und über den Versuch, die Gegner der islamischen Republik mit Waffen zuversorgen, bis hin zu verbalen Drohungen der Bush-Regierung.
Die US-Politik der Eindämmung (containment) gegenüber Iran hat die Führung des Landes gezwungen, ihre wegen des angekündigten Revolutionsexportes belasteten Beziehungen zur arabischen Welt zu normalisieren. Dass dies gelungen ist, belegt der Beitrag von Ferhad Ibrahim. Diese Beziehungen orientierten sich an den nationalen Interessen Irans. So gehörte das Land zu den Staaten, die den von den USA eingesetzten provisorischen Regierungsrat im Irak als Erste anerkannt haben. Auch die Beziehungen Irans zur Europäischen Union (EU) haben sich positiv entwickelt, wie Johannes Reissner darlegt. Die EU habe mit ihrem "kritischen Dialog" eigene Akzente gegenüber der Iranpolitik der USA setzen können. Dass mit Diplomatie einiges erreicht werden kann, zeigt die erfolgreiche Vermittlung der EU hingegen im Streit über das iranische Atomwaffenprogramm.