Die Türkei ist von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg am 22. Juni mit dem klaren Votum von 144 der 152 abgegebenen Stimmen aus einem acht Jahre andauernden Überwachungsverfahren entlassen worden. Die Versammlung kam zu der Überzeugung, dass die Türkei in den letzten drei Jahren sowohl ihren Willen als auch ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt habe, ihre Verpflichtungen hinsichtlich demokratischen Verhaltens und der Achtung der Menschenrechte zu erfüllen. Besonders hervorgehoben wurden die Verfassungsänderungen, mit denen die Macht der Armee als auch der Staatssicherheitsgerichte zurück gedrängt wurden, aber auch das neue Wahlgesetz, die Anerkennung von Minderheiten sowie die Maßnahmen zur Bekämpfung von Folter und Korruption. Noch im April hatte die Versammlung die Beendigung des Monitorings gegenüber der Türkei abgelehnt, weil der Staatssicherheitsgerichthof die vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg gerügten Urteile gegen gegen Leyla Zana und drei weitere frühere kurdische Parlamentarier und die damit verbundenen langjährigen Haftstrafen erneut bestätigt hatte. Am 9. Juni aber waren die Abgeordneten vom obersten Appellationsgericht der Türkei überraschend wegen Verfahrensfehlern des Staatssicherheitsgerichthofs auf freien Fuß gesetzt worden.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der Fortschritte setzt die Versammlung das Vertrauen in die Türkei, dass sie die noch notwendigen weiteren Reformen umsetzt. In der von der sozialistischen luxemburgischen Abgeordneten Mady Delvaux-Stehres und dem konservativen belgischen Abgeordneten Luc van den Brande eingebrachten Entschließung wurden dem Land in diesem Sinne in einem so genannten Postmonitoring-Verfahren einige nicht unerhebliche Auflagen gemacht.
So soll die Zehn-Prozent-Schwelle bei Parlamentswahlen gesenkt und den im Ausland lebenden Türken eine Teilnahme an der Wahl ermöglicht werden, ohne in die Türkei reisen zu müssen. Angemahnt werden allerdings auch die Anerkennung des Rechts auf Wehrdienstverweigerung, damit verbunden die Schaffung eines zivilen Ersatzdienstes sowie die Reform der lokalen und regionalen Verwaltung und die Verbesserung der Ausbildung von Polizisten, Richtern und Staatsanwälten.
Der Delegationsleiter der deutschen Abgeordneten, Rudolf Bindig (SPD), der dem Europarat seit 1988 angehört, sagte in der Aussprache, die gegenwärtige türkische Regierung habe gezeigt, dass sie bereit sei, den Worten auch Taten folgen zu lassen: "In den letzten zwei Jahren wurde die Todesstrafe abgeschafft, ein Politik der Nulltoleranz gegenüber Folter proklamiert, zahlreiche Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit aufgehoben und bestimmte kulturelle Rechte der kurdischen Minderheit anerkannt." H. H.