Als ein architektonisches Schmuckstück in unvergleichbarer Lage bezeichnetete der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber bei der Einweihungsfeier am 29. September die neue Vertretung des Freistaats bei der Europäischen Union in Brüssel. In Anspielung auf die bayerischen Königsschlösser spricht man in Brüssel bereits vom "Schloss Neuwahnstein". Hierzu meinte Stoiber in seiner Eröffnungsrede: "Die bayerischen Schlösser sehen anders aus."
In der Tat ragt dieser Komplex von seiner Architektur und seiner Lage her sehr weit aus der Reihe der anderen Landesvertretungen und der zahlreichen tristen Bürogebäude im Brüsseler Europaviertel heraus. Bei dem Hauptgebäude handelt es sich um das im Jahre 1903 erbaute ehemalige "Institut Pasteur de Brabant". Dieses war für den belgischen Medizinforscher Jules Bordet erbaut worden, der 1919 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Nach wechselvoller Geschichte war das Anwesen lange dem Verfall überlassen, bis es vom damaligen bayerischen Europaminister Reinhold Bocklet für seinen Freistaat entdeckt wurde.
Im Jahre 2001 beschloss dann die Landesregierung den Erwerb. Kurz danach billigte der Landtag auch mit den Stimmen der SPD den Betrag von 57,5 Millionen Mark beziehungsweise 29,4 Millionen Euro. In dieser Summe sind die Gesamtkosten für das Grundstück sowie für die umfangreichen Renovierungs-, Modernisierungs- und Erweiterungsarbeiten enthalten. Sehr gute Erfahrungen wurden dabei mit dem Modell des schlüsselfertigen Erwerbs zu einem Festpreis gemacht. Dazu erklärte Europaminister Sinner vor der Presse: "Zu diesem Festpreis haben wir eine Top-Immobilie in einer Top-Lage bekommen mit einem unschätzbaren politischen Wert." Das Geld für die neue Vertretung wurde im übrigen nicht aus dem laufenden Haushalt, sondern aus dem so genannten Grundstock- vermögen des Landes Bayern entnommen.
Die neue Vertretung liegt am Rande des Parks Leopold im Europaviertel zwischen dem Ausschuss der Regionen und dem riesigen Doppelbau des Europäischen Parlaments. Von dort sind es zu den Hauptgebäuden von EU-Kommission und Ministerrat nur einige Gehminuten. Ministerpräsident Stoiber sieht in der neuen Vertretung denn auch den Ausdruck der Bedeutung, den Bayern Europa und der EU beimisst - gleichzeitig aber auch eine Reverenz an das Gastland Belgien. Schließlich werde in Brüssel wichtige Politik für den Freistaat gemacht. Europa sei heute mehr und mehr Innenpolitik geworden.
Der Ministerpräsident unterstrich die Bedeutung von Föderalismus und Subsidiarität in der EU. Er sprach sich noch einmal gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei aus; andererseits unterstützt er die Bundesregierung in dem Bestreben, die künftigen Ausgaben der EU auf ein Prozent des Bruttosozialprodukts zu begrenzen. Stoiber bemängelte, dass die deutsche Position in EU-Fragen sehr oft in den EU-Gremien nicht koordiniert sei; hier könnte ein Europaminister Abhilfe schaffen. Unter Hinweis auf das von ihm befürwortete Referendum zur EU-Verfassung meinte Stoiber, dass sich die rot-grüne Koalition in Berlin jetzt in die richtige Richtung bewege. Die Volksabstimmung sollte einheitlich am gleichen Tag in allen 25 EU-Ländern stattfinden.
Bei der Einweihungsfeier konnte Europaminister Sinner die Präsidenten der EU-Kommission, Romano Prodi, des Europäischen Parlaments, Josep Borrell, des Ausschusses der Regionen, Peter Straub, und des Wirtschafts- und Sozialausschusses, Roger Briesch, begrüßen. Der Ministerpräsident der Region Brüssel, Charles Picqué, zeigte sich sehr erfreut darüber, dass die bayerische Landesregierung das Institut Pasteur so perfekt restauriert habe.