Auf Anregung von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hatten die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen am 18. Januar beraten, wie Nebeneinkünfte von Politikern künftig geregelt werden könnten. SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten sich mit ihrem Vorschlag für eine Verschärfung der Regeln stark gemacht, die Union hatte den Entwurf als "nicht praxistauglich" bezeichnet. Die Liberalen erklärten, die bestehenden Regelungen seien ausreichend und lehnten schärfere Auflagen für Nebeneinkünfte ab. Schon im Vorfeld des Treffens signalisierten alle Fraktionen, dass in Zukunft bei Verstößen gegen die Regelungen Sanktionen drohen sollen. Einkünfte, die regelwidrig verschwiegen würden, könnten danach beispielsweise künftig von den Diäten abgezogen werden. Bisher kann der Bundestagspräsident, so die Verhaltensregeln, die Abgeordneten und die Fraktionen bei Unstimmigkeiten lediglich befragen und Verstöße in einer Bundestagsdrucksache veröffentlichen. Letzteres hat es im Deutschen Bundestag noch nicht gegeben Nicht nur deshalb warnt Bundestagspräsident Thierse auch vor einem "Generalverdacht" gegenüber seinen Kollegen.
Der Zeitplan sieht vor, dass die rot-grüne Koalition bis Ende Februar 2005 einen Gesetzentwurf in Sachen veröffentlichungspflichtige Nebeneinkünfte ins Parlament einbringt. Derzeit muss jedoch noch geprüft werden, wo sich verfassungsmäßige Grenzen bei der Offenlegung der Einkünfte sowie bei den Sanktionsmöglichkeiten zeigen könnten. Erwiesen sich die Vorschläge als verfassungskonform, könnten künftig alle zusätzlichen Einkünfte von Abgeordneten meldepflichtig werden, egal ob sie aus einer Neben- oder einer Berufstätigkeit stammen. Wie weit die Offenlegung allerdings gehen soll, ist noch unklar. Bisher müssen Nebeneinkünfte zwar angegeben werden, der Präsident ist jedoch zum Stillschweigen über die Höhe der Angaben verpflichtet. Ausnahmen bilden Einkünfte aus einer Berufstätigkeit neben dem Mandat. Sie müssen nicht angezeigt werden. Auch diese Regelung steht auf dem Prüfstand.
Ob als Anwalt oder Consultant, Vorstand einer Firma oder Mitglied in einem Aufsichtsrat - unter Verfassungsrechtlern herrscht weitgehend Konsens darüber, dass deutsche Abgeordnete Nebentätigkeiten ausüben dürfen. Auch im Bundestag ist man sich einig, dass bei allen Tätigkeiten eins im Mittelpunkt stehen muss: das Mandat. Schon 1975 hatte das Bundesverfassungsgericht im so genannten "Diäten-Urteil" den Status des Abgeordneten genau festgelegt - weg vom Honoratioren-Abgeordneten hin zum "full-time" Berufsparlamentarier mit entsprechender Abgeordnetenentschädigung.
In der Debatte um das Vertrauen in die Politik und um mehr Transparenz bei Einkünften von Politikern wird in der Öffentlichkeit der Ruf nach unabhängigen Kommissionen lauter. Nicht erst seit Einführung der Verhaltensregeln im Jahr 1972 haben sich externe Sachverständige in Anhörungen und Kommissionen immer wieder mit der Frage von Nebeneinkünften, Diäten oder Pensionsansprüchen beschäftigt. So auch die "Kissel-Kommission", die 1993 zu dem Schluss kam, dass wegen des Grundrechts auf Berufsfreiheit ein Verbot von Nebentätigkeiten nicht zulässig sei.
Die jüngst veröffentlichten Fälle von Zahlungen an Bundestagsabgeordnete ohne Gegenleistung zeigen: Die Regeln für Nebentätigkeiten werden offensichtlich nicht von allen Mandatsträgern gleich ausgelegt und bewertet. Die Debatte, ob und wie mehr Transparenz für alle erreicht werden kann, ist ein demokratischer Drahtseilakt. Denn, so meinte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse: "Die Demokratie ist das Feld der Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Meinungen und Interessen. Entscheidend ist immer, dass das offen stattfindet und nicht im Verborgenen Geld fließt."