Familie. Die Finanznot der Kommunen rückten Sachverständige bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 13. April in den Mittelpunkt. Gegenstand der Beratung waren ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Ausbau der Tagesbetreuung und zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe ( 15/3676, 15/3986, 15/4045) sowie ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Entlastung der Kommunen im sozialen Bereich und zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch ( 15/4532, 15/4158). Ungeachtet der finanziellen Engpässe in Städten und Gemeinden plädierte die Mehrzahl der Sachverständigen dafür, aus der Bahn geratenen oder behinderten Jugendlichen die Hilfen zukommen zu lassen, die für sie notwendig und erforderlich sind. Wenn die Finanzkraft der Gemeinden dafür nicht ausreiche, müsse notfalls der Bund einspringen, so die Sachverständigen, etwa über ein Bundesteilhabegeld oder vergleichbare Leistungen.
Mit Blick auf mögliche negative Auswirkungen von Kürzungen in diesem Bereich warnten Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht und Beate Holstein von der Kreisverwaltung Offenbach nachdrücklich davor, Geld bei Jugendlichen, die als "leichtere Fälle" gelten, einsparen zu wollen. "Sie werden uns als Erwachsene wieder auf die Füße fallen, und dann wird es erheblich teurer", sagte Meysen.
Holstein setzte sich zudem dafür ein, die intensiv-pädagogische Betreuung für junge Menschen im Ausland beizubehalten. Nach ihren Worten gehen die Jugendämter mit dieser Möglichkeit sehr sorgfältig um. Holstein führte als Beispiel einen zwölfjährigen Jungen aus Offenbach an, bei dem alle Hilfen im Inland versagt hätten. Er sei schließlich in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen worden und habe dem Kreis Offenbach dort hohe Kosten (301 Euro am Tag) verursacht. Inzwischen sei es gelungen, ihn in Griechenland bei zwei Sozialpädagogen auf einem Reiterhof unterzubringen, so entstünde nur noch gut die Hälfte der täglichen Kosten und der Junge sei auf dem Weg, in das normale Leben zurückzufinden.
Dies warf für Regine Offer vom Deutschen Städtetag die Frage auf, warum im Inland alle Hilfen versagt hätten und ob solche Auslandsaufenthalte in der Öffentlichkeit nicht als Belohnung für auffälliges Verhalten verstanden werden könnten. Zudem verlaufe nicht jeder Auslandsaufenthalt so positiv wie der Offenbacher Fall.
Auf harte Ablehnung bei den Verbänden stieß vor allem die Formulierung aus dem Gesetzentwurf des Bundesrats, Leistungen der Jugendhilfe nach der Finanzkraft der Städte und Gemeinden auszurichten. Damit werde die notwendige Versorgung vom Wohnort der jungen Menschen abhängig gemacht, sagte Klaus Lachwitz von der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung. Ihm pflichteten Vertreter anderer Verbände im Grundsatz bei. Robert Sauter vom Bayerischen Landesjugendamt zeigte sich weniger ablehnend: Jugendhilfe von der Finanzkraft der Kommunen abhängig zu machen, bedeutet seiner Meinung nach nicht, sie ganz aufzugeben. Die Jugendhilfe dürfe aber nicht zur Auffanggesellschaft werden. Am Gesetzentwurf der Bundesregierung bemängelte Ursula Friedrich vom Deutschen Landkreistag zu viel Bürokratie. Das vom Bund vorhergesagte Einsparungspotenzial stehe in den Sternen. Zudem seien bestimmte Kosten gar nicht mitberechnet.