Während Asiaten und Amerikaner mit schweren Stiefeln die Welt der Zukunft vermessen, tänzeln die Europäer in Lackschuhen über die Heimatbühne." Dem Autor dieses Buches, Jochen Buchsteiner, fällt dieses Bild ein, das man sich von der "Stunde der Asiaten" machen soll. Und weiter: "Dass es vielleicht nicht Asien ist, um das man sich sorgen muss, sondern Europa, ist bis heute ein Gedanke, der Verblüffung provoziert."
Buchsteiners Quintessenz mündet in die lapidare Feststellung, "dass Frieden und Wohlstand im Normalfall hart erarbeitet werden müssen, dass Rivalität ein gestaltendes Prinzip der Geschichte bleibt, kurz: dass die Welt kein Ponyhof ist". Das Phänomen "gesellschaftlicher Infantilität", das er im sorglosen Hedonismus Europas wahrnimmt, führe zu einer Wahrnehmungsbarriere gegenüber den asiatischen Ländern, die nur erkenne, was dort alles ärmer, schlechter, weniger demokratisch ist als bei uns Europäern. Es werde aber nicht wahrgenommen, wie rasant der Aufstieg verläuft und welche ungeheuren Möglichkeiten in diesen riesigen Völkern stecken.
Das Faszinierende an Buchsteiners Analyse ist ihre unideologische Sachlichkeit, die sehr kompetent beschreibt, wie die Dinge zwischen Iran und China liegen - politisch, religiös, gesellschaftlich, historisch. "Die Erfahrungen mit Armut, Instabilität, politischer Willkür und nicht zuletzt mit Naturkatastrophen haben sich ins kollektive Gedächtnis der heute aktiven Generationen eingegraben. Es hat sie unruhig und wachsam bleiben lassen, und es hat ihren Sinn für das Wesentliche geschärft. Asiaten sind zu Überlebenskünstlern geworden - und als solche für die bevorstehenden Umwälzungen besser gewappnet als die mehr oder weniger selbstzufrieden organisierten Europäer."
Die Mehrheit der Aisaten lebt säkular, ein Gottesstaat wird nirgendwo angestrebt, an Fanatisierungen hat die westliche Welt gewöhnlich ihren Anteil: "Aggressiv entlädt sich religiös motivierte Kritik nur in den Kreisen der Verlierer, der Zurückbleibenden und Hoffnungslosen. Dort, wo Entwicklung und Wohlstand greifen, geraten Fanatismus und Gewaltbereitschaft in die Defensive."
Bei all diesen Entwicklungen bleibt Europa Zaungast. Buchsteiner, ein 40-jähriger Journalist mit Wohnsitz in Neu-Delhi, hält den politischen Meinungsmachern des konservativen Lagers deshalb illusionslos den Spiegel vor. Es wird längst Zeit, dass er und weltläufige Menschen seiner Generation Europas Zukunft gestaltend in die Hand nehmen.
Jochen Buchsteiner
Die Stunde der Asiaten.
Wie Europa verdrängt wird
Rowohlt Verlag, Reinbek 2005; 208 S., 19,90 Euro