Sammelbände haben es in sich. Wenn wie hier Dutzende von Autorinnen und Autoren zu Wort kommen, ist es schwierig, allen gerecht zu werden. Gefordert ist also der Mut zur subjektiven Auswahl. Nicht zu übersehen ist selbstverständlich der Beitrag des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau. Er forderte in einer Rede am 5. Juni 2004 in Hamburg, Journalisten müssten unabhängig von ökonomischen Interessen arbeiten, sollten einen eigenen Standpunkt haben und sich als Beobachter statt als Handelnde verstehen.
Wer könnte dem widersprechen? Dass die Wirklichkeit ganz anders aussieht, weiß natürlich auch das frühere Staatsoberhaupt. Wirtschaftliche Interessen der Zeitungsverleger spielen selbstverständlich eine Rolle. Sie spiegeln sich in der Berichterstattung, wenn es um einen Tarifkonflikt in der Druckindustrie geht. Wehe dem Journalisten, der in diesem Fall für die Forderungen seiner Gewerkschaft eintritt.
Hervorzuheben ist auch der Beitrag von Hans Leyendecker. Er teilt bereits in der Überschrift mit, worauf es ihm ankommt: "Journalismus braucht Recherche." Er selbst hat in vielen Beiträgen für die "Süddeutsche Zeitung" gezeigt, dass sich hartnäckiges Nachbohren und Nachfragen lohnt. Nur so kamen in den 90er-Jahren mehrere Parteispendenskandale ans Licht.
Mit Recht wird den Medien die politische Funktion zuerkannt, Kritik zu üben. Das ist freilich nur möglich, wenn Verlage und Rundfunkanstalten Reporter beschäftigen, die sich längere Zeit mit einem einzigen Thema befassen. Abgesehen von den Nachrichtenmagazinen "Spiegel" und "Focus" leisten sich allerdings nur wenige Tageszeitungen Journalisten, die gründlicher recherchieren können. Recherche ist kostspielig, abschreiben billiger.
Wenn der Verlag seiner Publikation den Titel "Politik als Marke" gibt, kann er sich vor allem auf den Beitrag von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) berufen. Sie meint, Politik als Marke brauche Bedeutung und Inszenierung. Aber es gibt auch, und darauf weist sie nachdrücklich hin, Grenzen der Inszenierung: "Wenn die Inhalte fehlen, wird Politik vordergründig langweilig und hintergründig überflüssig. Im schlimmsten Fall wird sie unglaubwürdig." Die jüngste Entwicklung im Wählerverhalten der Bundesbürger bestätigt das. Vor den Fernsehkameras konnte sich Gerhard Schröder immer besser in Szene setzen als Angela Merkel. Aber das allein reicht eben nicht.
Wird die Öffentlichkeitsarbeit in Zukunft noch wichtiger werden? Günter Bentele, Professor für Öffentlichkeitsarbeit an der Universität Leipzig meint, eines der Hauptprobleme der politischen Kommunikation in den nächsten zehn Jahren werde die Wiedergewinnung der Glaubwürdigkeit von Politikern sein. In der Tat belegen Umfragen eine Vertrauenslücke. Daran haben nach Benteles Meinung auch die Medien ihren Anteil. Das stimmt, aber auf die Frage, wie viel Kritik der Demokratie bekömmlich ist, wie viel ihr schadet, gibt es keine klare Antwort.
Mit seinem Beitrag "Die politische Marke" liefert Coordt von Mannstein, Gründer und Geschäftsführer einer Werbeagentur, den Titel für das Buch. Die Kernthese lautet: Auch die Politik einer Partei oder der Regierung müsse eine Marke sein. Insgesamt bietet die Aufsatzsammlung einen anschaulichen Einblick in die Politikvermittlung durch die Medien. Von einem Lesegenuss kann die Rede sein, weil sich alle Autoren bemüht haben, in einem leicht verständlichen Deutsch zu schreiben. Hermann Meyn
Axel Balzer, Marvin Geilich, Shamim Rafat (Hrsg.)
Politik als Marke.
Public Affairs und Politikmanagement, Band 3.
LIT Verlag, Münster 2005; 312 S., 19,90 Euro