Die Menschheit - das sei oft nur eine abstrakte Phrase, sagte Theodor Heuss, als er 1952 das Mahnmal in Bergen-Belsen einweihte. Die Menschlichkeit aber sei ein "individuelles Sich-Verhalten", und aus ihr lasse sich Trost schöpfen. Ganz in diesem Sinne hat Hildegard Hamm-Brücher gehandelt, als sie nach Heuss' Tod eine Stiftung gründete, die den Namen des ersten deutschen Bundespräsidenten trägt. Die Stiftung hält das Gedenken an den engagierten Demokraten Heuss wach; Jahr für Jahr zeichnet sie Persönlichkeiten und Initiativen aus, die Mut und Menschlichkeit beweisen.
So gibt das Buch, das Beatrice von Weizsäcker zum 40-jährigen Bestehen des Theodor-Heuss-Preises zusammengestellt hat, ein Bild von der Kraft bürgerschaftlichen Engagements. Den Preis und die Medaille der Stiftung erhielten keineswegs nur Politiker wie Gustav Heinemann, Walter Scheel, Egon Bahr oder Vaclav Havel. Immer wieder wurden Basisinitiativen für Bildung, Frieden und Völkerverständigung prämiert, sei es 1966 der Bamberger Jugendring für eine Kampagne gegen Rassenhass und Intoleranz oder 1974 eine Lerngruppe für Migrantenkinder.
Die Stiftung versteht sich als liberal, aber parteipolitisch verengt war ihr Blick nie. Mit Stipendien für Schüler und einem Programm für die politische Bildung an Schulen leistet sie einen wichtigen Beitrag für eine progressive Bildungspolitik. Daran war ihr von Beginn an besonders gelegen: Ihren ersten Preis verlieh sie 1965 an Georg Picht, der das Land mit seinem Alarmruf über die "deutsche Bildungskatastrophe" aufgerüttelt hatte. Konsequent war auch, dass der Pisa-Koordinator der OECD, Andreas Schleicher, vor zwei Jahren ausgezeichnet wurde.
So gibt es direkte Bezüge zwischen den Preisverleihungen, die das Buch nicht nur mit Angaben zu den Geehrten, sondern auch mit Erläuterungen zum historischen Kontext dokumentiert. Hildegard Hamm-Brücher erläutert im Gespräch mit der Herausgeberin die Auswahl der Preisträger und die öffentlichen Reaktionen. So wird das Buch, wie der amtierende Vorsitzende der Stiftung, Ludwig Theodor Heuss, treffend bemerkt, zu einem Spiegel, der die Entwicklung der Bundesrepublik reflektiert. Die Frage, ob die Arbeit der Stiftung schon erschöpft sei, verneint er ebenso überzeugt wie überzeugend.
Beatrice von Weizsäcker (Hrsg.)
Demokratie ist keine Glücksversicherung. Vierzig Jahre Theodor-Heuss-Preis 1965 bis 2005.
Hohenheim Verlag, Stuttgart/Leipzig 2005; 275 S., 22,- Euro