Nun, in hiesigen Gefilden geht es schon etwas entspannter zu. Damals im Sudan, es war in den Neunzigern, herrschte ein Klima der Konfrontation. "Dort wollte man die Kirche knebeln und in die Knie zwingen, da wurden Katholiken auch schon mal eingesperrt", erzählt Erwin Josef Ender: "Seinerzeit galt es, der bedrängten Kirche beizustehen und sie mit den diplomatischen Mitteln eines Nuntius zu unterstützen."
Mit politischem Konfliktstoff anderer Art hatte sich der Titular-Erzbischof, der später als Vatikan-Botschafter von 1997 an vier Jahre lang in Wilna für die drei baltischen Staaten zuständig war, dann zwischen 2001 und 2003 in Prag auseinanderzusetzen: Das mit der Regierung ausgehandelte Konkordat fiel zu guter Letzt im tschechischen Parlament sang- und klanglos durch.
Inzwischen amtiert Ender seit zwei Jahren als Repräsentant des Heiligen Stuhls in Berlin, und seine Erfahrungen resümiert er im gediegenen Salon der Apostolischen Nuntiatur so: "In Deutschland existiert eine konstruktive Partnerschaft zwischen Staat und Kirche." Er sei überrascht gewesen, "wie hoch angesehen ein Nuntius hierzulande ist".
Wer sich über die Vatikanresidenz informieren will, muss sich auf den Weg in eine Ecke Berlins machen, wo man die Welt der Diplomatie eher nicht vermutet: Die 2001 eröffnete Nuntiatur liegt am Südstern direkt an der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln.
So ungewöhnlich der Standort ist, so fällt Roms Dependance auch anderweitig etwas aus dem Rahmen der über 150 Botschaften, nämlich durch die Öffnung nach außen: Bei Führungen unterrichtet Monsignore Ewald Nacke, Mitarbeiter des Botschafters, jährlich rund 3.000 Besucher von Kolpingfamilien über Pfarrgemeinderäte und Feuerwehrleute bis hin zu Unteroffizieren der Bundeswehr über die Tätigkeit des 18-köpfigen Teams und über die Architektur des lichtdurchfluteten Komplexes, der von außen zunächt wie ein nüchterner Zweckbau wirkt.
Bemerkenswert ist indes vor allem die Aufgabenvielfalt eines Nuntius, was weithin kaum bekannt ist: Der Abgesandte des Vatikans agiert im Grunde als eine Art Vierfach-Botschafter.
Anders als etwa die US-amerikanische oder die britische Repräsentanz spielt die Vertretung des Heiligen Stuhls in der Öffentlichkeit politisch keine große Rolle. Wie seine Vorgänger wird Ender in erster Linie beim protokollarischen Ritual des Neujahrsempfangs wahrgenommen, wenn er als traditioneller Doyen des diplomatischen Corps dem Bundespräsidenten Glück-wünsche überbringt. Neben der im Alltag recht zeitaufwendigen Arbeit als Doyen fungiert der Nuntius als Beauftragter Roms gegenüber der Bundesregierung, gegenüber den 16 Bundesländern und vor allem gegenüber der katholischen Kirche in Deutschland.
Diese innerkirchliche Aufgabe, erläutert Ender, "macht den Schwerpunkt meiner Tätigkeit aus". Gepflegt werden wollen die Kontakte zu den vielen Diözesen und zur Bischofskonferenz. Eine wesentliche Rolle spielt ein Nuntius bei der Ernennung von Bischöfen: Im ersten Stadium der Entscheidungsfindung übermittelt er dem Vatikan eine Liste mit drei Kandidaten für die betreffende Diözese, woran Rom jedoch nicht gebunden ist.
Die Beziehungen zu den 16 Bundesländern werden nicht nur durch Visiten bei den Ministerpräsidenten geprägt: Der Botschafter ist auch für die Aushandlung von Staatskirchenverträgen zuständig, ein solches Konkordat brachte Ender jetzt mit Hamburg unter Dach und Fach. Mit Hessen, Schleswig-Holstein und Berlin gibt es bislang noch keine solche Abkommen. Die Kontakte mit der Bundesregierung gestalten sich offenkundig recht problemlos, vieles spielt sich im Rahmen von Höflichkeitsbesuchen ab. Politik findet gleichwohl statt, besonders dann, wenn die Bundesrepublik etwa auf EU-Ebene mit Themen konfrontiert ist, die für die katholische Kirche von Belang sind. Ender: "Dann bringen wir gegenüber deutschen Politikern unseren Standpunkt zum Gottesbezug in der EU-Verfassung, zur Sterbehilfe oder zur Stammzellenforschung ein."
Als Doyen kennt der Nuntius die Botschafter-Community in der Hauptstadt wie niemand sonst: Jeder Neuankömmling stellt sich in seinem Büro persönlich vor, auch beim Weggang aus Berlin schaut jeder Diplomat zum Abschied vorbei, das können wöchentlich mehrere Visiten sein. Und dann die vielen Einladungen zu Botschaftsempfängen bei den jeweiligen Nationalfeiertagen. Auch mit gewissen Sorgen wenden sich diplomatische Vertretungen schon mal an ihren Doyen: Ob man denn gegenüber den hiesigen Behörden vielleicht etwas für mehr Parkplätze vor der Haustür tun könne? Aber da ist meist nicht viel zu machen.
Am Südstern müssen sich Besucher mit der Parkplatzsuche nicht lange quälen. Bei Führungen erfahren Neugierige von Ewald Nacke dann zum Beispiel, dass das Team der Nuntiatur mit Mitarbeitern aus mehreren Ländern ziemlich gemischt ist, "der Vatikan ist ein internationaler Staat". Im Botschaftsalltag parliert man auf Deutsch, Telefonate mit Kollegen in Rom laufen auf Italienisch, offizielle Dokumente des Vatikans sind in lateinischer Sprache verfasst.
Die Architekten haben die Nuntiatur baulich auf die benachbarte St. Johannes-Basilika abgestimmt, manchmal spiegelt sich die Kirche im Marmorfußboden der Botschaft. Von der Basilika schaut Petrus in Gestalt einer Skulptur auf seine diplomatische Niederlassung - mit Wohlgefallen, darf man annehmen. Besonders gern präsentiert Nacke die künstlerisch ambitioniert gestaltete Kapelle, "das ist unser Kleinod": Dort erzählen eindrucksvolle Buntfenster, gemalt von Wilhelm Buschschulte, Gleichnisse aus dem Alten und Neuen Testament, Johannes Niemeier hat den Altarraum aus Carrara-Marmor geschaffen.
Als Nuntius stellt Ender eine Ausnahme im diplomatischen Dienst Roms dar: Von der Vertretung gegenüber Italien abgesehen, amtieren nur in Berlin und Warschau Botschafter mit der Nationalität des Landes - ansonsten werden stets Nichteinheimische berufen. Seine jetzige Funktion nutzt der 68-Jährige, "um meine Heimat kennen zu lernen": Ender hatte als Student Deutschland verlassen und ist erst als Nuntius zurückgekehrt.
Und fühlt er sich nun eher als Kreuzberger oder als Neuköllner? Das Trottoir vor der Botschaft gehört zu Kreuzberg, das Grundstück zu Neukölln. Ender lächelt: "Ich sehe mich als Berliner." Eine diplomatische Antwort aus Diplomatenmund.