Der Sozialwissenschaftler Ralf Zoll hat sich in den vergangenen Jahren als Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr große Verdienste um das Fach Militärsoziologie in der Bundesrepublik erworben. Seine Fähigkeit zu interdisziplinärer Zusammenarbeit und Betrachtung erweist sich auch bei diesem an der Universität Marburg entstandenen Projekt in überzeugender Weise: Ausgangspunkt war hier die ganz naheliegende, in der Soziologie aber immer noch viel zu wenig bedachte Frage, inwieweit klassische Texte der Literatur für die soziologische Urteilsbildung hilfreich sein können.
In insgesamt sieben Kapiteln - Raum, Zeit, soziale Ungleichheit, Biologie-Demografie, Ökonomie, Politik, Kultur - werden jeweils zwischen 20 bis 30 Texte zusammengestellt, die meisten von Autoren des 20. Jahrhunderts. Das reicht von Thomas Mann, Robert Musil und Franz Werfel bis zu Marcel Proust, Kenzaburo Oe und Alejo Carpentier. Jedem Kapitel ist eine ausführliche Einführung vorangestellt, die in die jeweiligen Texte einführt und den Blick schärft für die hier besonders interessierende Fragestellung. Am Ende jeder Einführung steht eine ausführliche Bibliografie; jeder ausgewählte Autor wird knapp, aber kenntnisreich mit Lebensdaten und Werkangaben vorgestellt.
Das zweibändige Werk ist gleichermaßen eine literarische Fundgrube und eine Einführung in die soziologische Betrachtungsweise. Literatur wird in einer ganz ungewohnten, umso interessanteren Sichtweise geöffnet und auf ihren Realitätsgehalt befragt.
Ralf Zoll (Hrsg.)
Gesellschaft in literarischen Texten.
Ein Lese- und Arbeitsbuch in zwei Bänden.
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005; 384 und 320 S., jeder Band 29,90 Euro