So viel Einigkeit ist selten im Parlament: Mit 463 Ja- und ohne Nein-Stimmen beschloss der Bundestag am 16. März die Einführung eines Saison-Kurzarbeitergeldes. Mit diesem soll die Arbeitslosigkeit im Winter eingedämmt werden. Lediglich die Grünen enthielten sich der Stimme. Anders als ursprünglich vorgesehen gilt die Neuregelung zunächst nur für die Baubranche, kann nach einer zweijährigen Testphase aber auf andere Bereiche ausgedehnt werden. Bauarbeiter erhalten künftig 60 Prozent des ausfallenden, pauschalierten Nettogehalts von der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Arbeitnehmer mit Kind 67 Prozent. Die Neuregelung soll erstmals im kommenden Winter greifen. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen.
Der Vizevorsitzende der Unions-Fraktion Peter Rauen (CDU) erläuterte, jedes Jahr würden in den Wintermonaten rund 280.000 Bauleute arbeitslos, die Hälfte davon witterungs- oder auftragsbedingt. Künftig könnten sie bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt bleiben und würden auf "Kurzarbeit-Null" gestellt. Sie erhielten dann von der ersten Ausfallstunde an Saison-Kurzarbeitergeld, ohne sich wie beim bisherigen Wintergeld Stunden von ihrem Arbeitszeitkonto anrechnen lassen zu müssen. Für die Arbeitgeber sei der große Vorteil, dass keine Zusatzkosten entstünden. Der CDU-Arbeitsmarktexperte Ralf Brauksiepe fügte hinzu, man dürfe "keine Illusionen schüren", es bestehe aber die begründete Hoffnung, dass der Anstieg der Winterarbeitslosigkeit deutlich eingedämmt werden könne. Zu der Begrenzung der Neuregelung auf die Baubranche fügte Brauksiepe hinzu: "Wir wollen keine Zwangsbeglückung anderer Branchen."
Für die Fraktion Die Linke konterte deren Abgeordnete Kornelia Müller, es gebe Arbeitnehmer in vielen Branchen, etwa der Ziegelindustrie, die "eine Zwangsbeglückung gern annehmen" würden. Eine Ausweitung auf andere witterungsabhängige Branchen müsse unverzüglich geprüft werden. Die Linke stimme dem Gesetz dennoch zu, da es "längst überfällig" sei.
Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Brigitte Pothmer, kritisierte ebenfalls, dass der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen "exklusiv auf die Baubranche" ausgerichtet sei. Sie erinnerte daran, dass beispielsweise auch die Land- und Forstwirtschaft mit saisonalen Arbeitsausfällen zu kämpfen habe. "Denen reichen Sie nicht die helfende Hand, denen zeigen Sie die kalte Schulter", bemängelte Pothmer. Zugleich unterstrich sie, dass ihre Fraktion das Gesetz "im Grundsatz" unterstütze.
Der Arbeitsmarktexperte der SPD, Klaus Brandner, sagte, am Ziel, weitere Branchen einzubeziehen, werde festgehalten. Es seien lediglich "etwas höhere Hürden" dafür aufgebaut worden. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, Gerd Andres (SPD), fügte hinzu, wenn das Instrument in der Baubranche Erfolg habe, werde es auch in anderen Bereichen eingeführt. Dazu müssten allerdings auch dort Umlage- und Arbeitszeitkonten eingeführt werden. Den Tarifpartnern rufe er deshalb zu: "Kommt in die Puschen." Brandner betonte, insgesamt sei die Reform "ein wirklich gelungener Beitrag für moderne Arbeitszeitpolitik". Bauarbeiter müssten nun nicht mehr in der allwinterlichen Unsicherheit leben, ob sie im Frühjahr wieder eingestellt würden.
Die FDP-Fraktion zeigte sich zufrieden mit der Begrenzung der neuen Leistung auf die Baubranche. Es sei Unsinn, Branchen gegen ihren Willen einzubeziehen, sagte ihr Abgeordneter Jörg Rohde in der Debatte. Die Liberalen seien allerdings nicht so optimistisch wie die Koalition, dass die Einsparungen beim Arbeitslosengeld die Mehrausgaben für das Saison-Kurzarbeitergeld überwögen. Es sei aber gut, dass die Beitragszahler entlas-tet würden. Trotz eines "leichten Bauchgrimmens" stimme deshalb auch die FDP zu.