Ehud aus dem Stamme Benjamin war einer der Richter Israels. Die Bibel berichtet, dass der Linkshänder einen zweischneidigen Dolch unter seinem Gewand versteckt hatte, bevor er den Moabiterkönig Eglon aufsuchte, um ihm den Tribut der Israeliten zu überbringen. Bei der Übergabe stach er dem Herrscher den Dolch in den Leib und befreite so Israel von einer 18-jährigen Fremdherrschaft. Wird nun der Sieger in den Parlamentswahlen vom 28. März ähnlich seinem biblischen Namensgeber die 39-jährige Fremdherrschaft - diesmal allerdings über das palästinensische Volk - beenden? Und damit auch Israel befreien, wie es Friedensaktivisten seit Jahren fordern, da die israelische Besatzung auch Israel selbst töte und korrumpiere? Wer ist der amtierende Premier Ehud Olmert, der, wie Scharon-Vertraute sagen, "in diese Position geschlittert ist"?
1945 im israelischen Binyamina geboren, diente Olmert in der Armee in einer Kampfeinheit sowie als militärischer Korrespondent. Nach Studien in Jura, Psychologie und Philosophie wurde er Rechtsanwalt. 1973 zog Olmert erstmals in die Knesset ein. Dort engagierte er sich unter anderem in den Ausschüssen für Erziehung und Kultur, Umwelt sowie Recht und Gerechtigkeit. Von 1988 bis 1990 war er als Minister ohne Portfolio zuständig für die Angelegenheiten der Minderheiten. Seine eigene Regierung griff er wegen der Diskriminierung der drusischen Minderheit an, und Premierminister Yithak Schamir verärgerte er mit der Forderung, eine Quote an Posten im öffentlichen Dienst für Israels Araber zu reservieren. Nach zwei Jahren als Gesundheitsminister wurde Olmert 1993 Bürgermeister von Jerusalem und zehn Jahre später Industrie- und Handelsminister.
Olmert soll sich als einer der ersten für einen Rück-zug aus Gaza ausgesprochen haben. Im November vergangenen Jahres verließ Scharon die Likud-Partei - wegen des Streits um die von ihm durchgesetzte Räumung der israelischen Siedlungen - und gründete "Kadima", "mit meiner Ermutigung", versichert Olmert. Nach Scharons schwerer Gehirnblutung übernahm Ehud Olmert Anfang des Jahres die Regierungsgeschäfte. "Niemandem in der Geschichte Israels wurde jemals so die Macht auf einem Silbertablett übergeben wie Ehud Olmert", meint der israelische Journalist Uri Blau. Das langjährige Knesset-Mitglied Yossi Sarid ergänzt: "Ehud und ich haben viel Lebendigkeit in die versteinerte Knesset der Mittsiebziger Jahre gebracht. Ich kam allerdings in die Knesset mit demselben Hemd und derselben 60-Schekel-Armbanduhr (etwa 10 Euro), die ich auch jetzt beim Abgang getragen habe." Olmert dagegen habe "mehr als nur ein bisschen für sich und seine Geschäfte getan".
Ehud Olmert hat wohl viele Gesichter. Da gibt es den Geschäftstüchtigen. Daneben existiert der Olmert, der sich für die Minderheiten einsetzt. Zumindest verbal. Doch noch einen dritten Olmert kennt Israel: den der rechtslastigen Gesten. Als Bürgermeister unterstützte er einen Vorschlag, eine Straße Jerusalems nach Schlomo Baum zu benennen. Dieser war stellvertretender Kommandeur der Fallschirmjägereinheit 101 unter Ariel Scharon und beteiligt am Massaker in Qibiya im Jahre 1954, in dem 69 jordanische Dorfbewohner von israelischen Truppen getötet wurden.
Nun hat Olmert einen Spitznamen - "Smolmert", eine Anspielung auf das hebräische Wort für links "smola" - auch wegen seines Abzugsplanes aus großen Teilen des West-Jordanlandes. Ist Olmert dabei, seine eigenen Worte umzusetzen? "Die historischen Rechte der Juden am Land Israel bestehen ohne Zweifel und auf ewig", schrieb er zu Beginn seiner politischen Karriere Ende der 60er-Jahre. Doch müsse ein politischer Plan auch "darauf gründen, was möglich und notwendig ist. Daher rührt meine Bereitschaft zu einem Kompromiss in punkto Land, aber natürlich nur gegen wirklichen Frieden." Am Wahlabend sagte er: "Ich bin bereit, auf den Traum von Groß-Israel zu verzichten"; und an die Palästinenser gerichtet: "Wir sind bereit, Juden aus den Siedlungen zu evakuieren, um euch den Traum von einem eigenen Staat zu ermöglichen." Im Gegenzug erwarte er, dass die Palästinenser auf ihren "Traum von der Zerstörung" Israels verzichteten. Andernfalls werde Israel sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen.
Der Sinneswandel vom Falken zum politischen Pragmatiker sei auch seiner Frau Alisa zu verdanken, räumte Olmert nach der Wahl ein, in der seine "Kadima" mit 29 Sitzen die stärkste Kraft nach der Arbeitspartei mit 20 Abgeordneten wurde. Der Likud-Block erhielt zwölf Sitze, die Schas gewann elf und die links-liberale Merez-Partei fünf Mandate. Die ultranationale Partei der russischen Einwanderer, Israel Beitenu, kommt auf elf Sitze und die Vereinigte Arabische Liste verfügt nun über drei Mandate.