Mitte März leitete die Bundesregierung dem Bundestag einen Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zu. Das Gesetz soll den Umgang mit den Eigentumsrechten digitaler Produkte dem Internet-Zeitalter näher bringen. Im politischen Sprachgebrauch handelt es sich um den "zweiten Korb" bei der Reform des Urheberrechtsgesetzes. Dieser Korb enthält Regelungen, die nicht bereits aufgrund internationaler Verpflichtungen, vor allem im Rahmen der EU, gesetzlich kodifiziert worden sind. Das nämlich hatte vor drei Jahren das Gesetz zum so genannten "ersten Korb" überwiegend erledigt. Im Bundestag war es damals zu einem weit gehenden Konsens gekommen. Ob das bei dem neuen Entwurf so bleibt, ist offen. Das zeigte sich, als der Bundestag im Januar darüber debattierte.
Dabei stellt dieses Gesetzesvorhaben nur einen winzigen Ausschnitt aus einer kaum übersehbaren Fülle von Gesetzen dar, welche das Internet in Verbindung mit den digitalen Medien erforderlich macht. Es sind Gesetze, welche die Rechtsbeziehungen von Bürgern und Unternehmen betreffen, aber auch die Beziehungen zwischen Privaten und dem Staat. Für das Leitbild eines digital durchorganisierten Verwaltungs- und Regierungshandelns - weltweit unter dem Begriff "E-Government" bekannt - listete die Bundesregierung im März 440 Projekte auf. Welche Vielfalt hier herrscht, zeigt allein schon ein kleiner Blick auf die Gesetzgebung im Steuerrecht, wo die ganze Bandbreite denkbarer Regelungen betroffen ist, vom Verfahrensrecht bis zu den völkerrechtlichen Verträgen, welche die Parlamente als Gesetz ratifizieren müssen.
So sind Unternehmer und Freiberufler seit kurzem verpflichtet, ihre Umsatzsteuervoranmeldung papierfrei beim Finanzamt einzureichen, im Normalfall per Internet. Der entsprechende Paragraph gilt seit vergangenem Jahr und bildet ein Kernstück der umfassenden elektronische Steuererklärung "Elster". Ein Bedarf an steuerrechtlicher Gesetzgebung ergibt sich aber auch aus der Natur der multimedialen Waren, die das Internet vorhält. Digitale Erzeugnisse kann ein inländisches Unternehmen beispielsweise über einen Server in einem fernen Land verkaufen - auch zurück an einen Inländer. Das hat sogar die OECD vor drei Jahren bewogen, Empfehlungen für die nationale Gesetzgebung auszusprechen. Zweck: Es muss klar sein, wann der Verkauf solcher Multimediaprodukte über das Netz eine steuerlich anzuerkennende Betriebsstätte an dem Ort bildet, wo der Server steht. Dann darf möglicherweise nur die Insel - oder Steueroase - auf welcher der Server steht, die Transaktion besteuern. Die OECD-Empfehlung will das eingrenzen. Sie geht nun Stück für Stück in die internationalen Vertragsverhandlungen zu den Doppelbesteuerungsabkommen ein - und damit dann auch weltweit in die nationale Gesetzgebung.
Nicht nur hier liegen übernationale Anstöße zu nationalen gesetzlichen Regelungen vor. Die EU hat die Mitgliedstaaten zum Beispiel verpflichtet, den Bürgern ab Anfang 2007 online Einblick in die Handelsregisterauszüge aller Unternehmen zu gewähren. In diesen Zusammenhang gehört auch das neue - für die Bundesebene geltende - Informationsfreiheitsgesetz. Es garantiert Bürgern Einblick in Unterlagen der Bundesregierung und zugehöriger Bundeseinrichtungen. Und wo diese Unterlagen im Original elektronisch vorliegen, werden Bürger darauf dringen, sie ebenfalls in dieser Form zu erhalten.
Übersichtlich ist immerhin, was im Kernbereich des Multimediarechts, dem Zusammenhang von geistigem Eigentum und Vergütungsansprüchen, für den Gesetzgeber ansteht. Neben dem jetzt vorgelegten "zweiten Korb" muss das Parlament beispielsweise eine EU-Richtlinie umsetzten, die den Opfern einer Urheberrechts-Verletzung einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch über zurückliegende Verwertungen ihrer Rechte überträgt. Auf die Vergangenheit bezieht sich auch ein Problemkreis, den der "zweite Korb" jetzt teilweise lösen soll - dort unter dem rätselhaften Rechtsbegriff der "unbekannten Nutzungsarten". Es geht dabei um Arbeiten von Komponisten und Konstrukteuren, von Journalisten, Layoutern und Lichtbildnern und einer Vielzahl anderer Berufe aus der Zeit vor Entstehung des Internet. Die von diesen Kreativen damals abgeschlossenen Dienst- oder Werkverträge enthalten zwar zumeist eine Übertragung sämtlicher Nutzungsrechte an den Auftraggeber. Da das Internet und die Multimediatechnik aber noch unbekannt waren, erfassten die Verträge Nutzungen über solche Medien nicht. Im Begründungsteil formuliert die Urheberrechtsnovelle nun das Ziel, diese "in zahlreichen Archiven ruhenden Schätze endlich neuen Nutzungsarten problemlos zugänglich" zu machen. Auch Verfügungen über "unbekannte Nutzungsarten", sollen daher künftig möglich sein. Und das soll in bestimmtem Rahmen sogar rückwirkend gelten.
Eine Fülle von Detailregelungen in dem neuen Gesetzentwurf betrifft die Rechte der Konsumenten und die Pflichten der Geräteindustrie. So dürften die Käufer eines Buches, eines Musiktitels oder eines Artikels im Normalfall berechtigt bleiben, davon kostenfrei eine "private Kopie" zu ziehen. Für diese Nutzung sollen die Urheber trotzdem Geld erhalten, und zwar weiterhin über Verwertungsgesellschaften wie Gema und VG Wort. Zahlen sollen die Hersteller der Geräte, die zum Kopieren genutzt werden. Neu ist, dass nicht mehr der Staat die Höhe dieser Vergütung festlegen wird. Vielmehr sollen die Verwertungsgesellschaften und die Industrie sich darüber in Verhandlungen einigen. Ferner gestattet der Entwurf Lehrern, jedem Schüler für den Unterricht in bestimmtem Umfang urheberrechtlich geschützte Dokumente, Aufsätze oder Musiktitel vergütungsfrei zu verschaffen.
Eine Kontroverse deutet sich indes darüber an, ob es eine Bagatellgrenze geben soll, bis zu der das unberechtigte Kopieren über die einfache Privatkopie hinaus straffrei bleibt. Die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) jedenfalls sprach sich im Januar strikt dagegen aus: Denn das käme in der öffentlichen Wahrnehmung einer "faktischen Legalisierung" von Urheberrechtsverletzungen gleich. Doch die Regierung, so stellte der Parlamentarische Justiz-Staatssekretär Alfred Hartenbach (SPD) sofort klar, will hier keinen Streit. "Ich möchte", erklärte er vor dem Hohen Haus, "dass der Konsens aller fünf Fraktionen bestehen bleibt".
Der Autor ist freier Journalist in Berlin.
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