Berlin, Essen, München, Augsburg, Frankfurt am Main und Hamburg sind die Sieger beim zweiten Website Ranking, das von der Initiative eParticipation im vergangenen Herbst vorgelegt wurde und in dem die elektronische Bürgerbeteiligung in deutschen Großstädten getestet wurde. Die Initiatoren - ein Zusammenschluss von Firmen und wissenschaftlichen Einrichtungen - wollten wissen, in welchen Formen und in welchem Umfang die Bürger an den Entscheidungen und der politischen Wissensbildung ihrer Kommune beteiligt werden. Dazu wurden im vergangenen Jahr die Portale aller Städte mit als 100.000 Einwohnern untersucht.
Auf den ersten Blick scheint es, als ob moderne Informations- und Kommunikationsmedien den Traum von der direkten Demokratie wahr machen könnten. Ohne vermittelnde Instanzen, zum Beispiel der Parteien, können Bürger Ideen und Kritik an ihre Repräsentanten schicken. Gerade an der Basis, so Hans Hagedorn, Sprecher der Initiative eParticipation, sei das Interesse an direkten Formen der politischen Beteiligung groß. Sie biete gleich mehrere Vorteile: Anonymität, soziale Schranken seien leichter zu überwinden, Hemmungen leichter abzubauen.
Doch die Realität sieht oft anders aus. Strukturen, um eine elektronische Bürgerbeteilung auf Dauer einzurichten, seien in vielen Kommunen nicht vorhanden, so die Untersuchung. In der Verwaltung fehlten Anreize, um E-Government-Projekte durchzuführen, vielfach seien die Zuständigkeiten in den Verwaltungen nicht geklärt.
Zudem kollidiere die elektronische Bürgerbeteiligung mit einer Reform, die in den vergangenen Jahren von den Kommunen auf den Weg gebracht wurde: der Modernisierung der Verwaltung. Sie zielt auf höhere Effizienz und Kostensenkung, eine stärkere Bürgerbeteilung fügt sich darin nicht immer nahtlos ein. "Der notwendige Mehraufwand für mediengestützte Bürgerbeteiligung wird durch dieses Leitbild nicht abgebildet", heißt es in dem Website-Ranking.
Bürgerbeteiligung muss sich gegen das Effizienzdenken in den Verwaltungen behaupten. Dieses Problem sieht auch Hagedorn, doch er ist überzeugt, dass es kein unüberwindlicher Konflikt ist. So zeigten die Ergebnisse der jüngsten Studie, dass die Möglichkeiten der Bürger, sich im Netz über die Politik ihrer Städte zu informieren und mit Entscheidungsträgern in einen Dialog einzutreten, im vergangenen Jahr größer geworden sind. Hagedorn sieht darin ein Indiz, "dass sich in den Kommunen ein neuer, bürgernaher Politikstil entwickelt".
Allerdings, auch das zeigt die Untersuchung: Viele Kommunen blieben hinter den Möglichkeiten zurück, die das Internet bietet. Sie würden Chancen vertun, um wichtige und strittige Themen für die Bürger transparent aufzubereiten und "den Rat der Bürger für Entscheidungen einzuholen".
Einige Ergebnisse: In fast allen Städten waren im vergangenen Jahr die Oberbürgermeister per Web-Formular oder über E-Mail direkt zu erreichen. Auch interaktive Kommunikationsmöglichkeiten werden angeboten. In Nürnberg und Mainz beispielsweise können die Bürger mit der Stadtspitze oder mit der Verwaltung im Chat diskutieren. Insgesamt haben 18 Städte solche Chats angeboten, in 64 Kommunen gab es keine. Bei den Bürgern, so die Untersuchung, treffe der lockere Meinungsaustausch auf großes Interesse.
Bei der Bewertung der Beteiligungsformen wird zwischen formellen und informellen Verfahren unterscheiden. Formelle Verfahren sind jene, die gesetzlich vorgeschrieben sind, zum Beispiel im Rahmen von Bauvorhaben oder Flächennutzungsplanungen. Informelle Beteiligungsformen sind nicht zwingend. Die Spanne reicht hier von Planungsentscheidungen bis zu Leitbilddiskussionen.
Dabei zeigte sich: Die formelle Beteiligung ist noch nicht Standard. Nur in 48 Kommunen werden die Bürger übers Netz in die Bauleitplanung einbezogen, in 17 Städten konnten die Bürger Anregungen zu Bauleit- und Flächennutzungsplänen einbringen. Informelle Verfahren wurden gar nur in 13 Städten angeboten.
Mit einer stärkeren Beteiligung der Bürger an kommunalen Entscheidungen werden repräsentative Strukturen aufgeweicht, aber nicht ersetzt, so Hagedorn. Die repräsentative Demokratie müsse um direkte Elemente ergänzt werden: "Nicht alles soll von Expertenzirkeln entschieden werden, aber auch nicht alles von allen."
Hagedorns Ideal einer Bürgerbeteiligung: Gewählte Repräsentanten sollten einen direkten Kanal zu ihren Wählen aufbauen und Entscheidungsabläufe offen kommunizieren. Als Beispiel führt er einen US-Senator an, der in einem Weblog regelmäßig auf die Entscheidungen hinweist, die in den nächsten vier Wochen anstehen und den Bürgern dabei auch mitteilt, welche Lobbyisten versuchen, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Auf diese Weise, so Hagedorn, würden politische Prozesse transparent und Vertrauen gebildet. Und jene Bürger, die eine Entscheidung letztlich nicht mittrügen, würden sie am Ende eines solchen Prozesses eher respektieren, ist Hagedorn überzeugt.
Der Autor ist freier Journalist in Düsseldorf.
www.Initiative-eParticipation.de