Das Internet als technologische Infrastruktur einer vernetzten Gesellschaft wird immer greifbarer. Dabei fungiert das Netz nicht einfach als ein weiteres Informations- und Kommunikationsmedium neben Telefon oder Fernsehen. Das Internet ist anders - es wird zu einem neuen sozialen Handlungsraum.
Denn es geht nicht nur um eine neue Infrastruktur zum "Transport" von Informationen, die von der Tätigkeit der Nutzer unbeeinflusst bliebe, wie das bei Telefon und Fernsehen der Fall ist. Vielmehr zeichnet sich das Internet dadurch aus, dass es seine Struktur durch das praktische Tun seiner Nutzer verändert. Neben neuen Formen der Öffentlichkeit und der politischen Entscheidungsfindung bietet es den Teilnehmern vielfältige Chancen und Handlungsmöglichkeiten. In unterschiedlichen Lebensbereichen wird die Nutzung des Internets zu einem maßgeblichen Erfolgsfaktor.
Die aktive Teilhabe in diesem neuen sozialen Handlungsraum bestimmt zunehmend über Beteiligung oder Ausschluss aus anderen gesellschaftlichen Handlungsräumen. Wer heute beispielsweise bei der Stellensuche auf Online-Portale und Job-Börsen zurückgreift, dem steht eine deutlich größere Auswahl an Stellenangeboten und weiterführenden Informationen zur Verfügung. Wer sich darüber hinaus auf einer eigenen Website repräsentativ darzustellen weiß, verändert das Netz selbst: Er informiert sich nicht nur, sondern nutzt es als Handlungsraum.
Mit dem Aufstieg des Internets sind völlig neue Möglichkeiten der Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen entstanden. Oftmals wird mit ihm deshalb auch die Hoffnung auf eine weitergehende Demokratisierung der Gesellschaft verbunden. Gleichzeitig werden jedoch zunehmend kritische Stimmen laut, die vor einer "digitalen Spaltung" der Gesellschaft warnen. Wenn herkömmliche Einflussfaktoren sozialer Ungleichheit die Beteiligungschancen im Netz bestimmen, besteht die Gefahr, dass sich traditionelle gesellschaftliche Spaltungslinien durch das neue Medium noch vertiefen oder neue entstehen.
Vorhandene empirische Langzeitstudien liefern hierzu interessante Erkenntnisse. Lange galt das Alter der Nutzer als entscheidende Einflussgröße auf die Nutzung des Internets. Doch die Bedeutung des Alters nimmt stetig ab, ebenso wie die des Geschlechts. Stärker und stabiler als alle anderen Faktoren beeinflussen dagegen Schulbildung, berufliche Qualifikation und Erwerbstätigkeit den Zugang zum Internet und die Nutzungsintensität.
Unsere Auswertungen im Rahmen der Sozioökonomischen Berichterstattung (soeb.de) zeigen, dass bildungsferne Schichten und Erwerbslose signifikant seltener online sind. Sie nutzen das Internet weniger häufig und weniger lang. Laut Statistischem Bundesamt beträgt der Anteil von 'Onlinern' für das Jahr 2005 bei Personen mit Hochschul- und Fachhochschulreife 83 Prozent, bei Personen mit Volksschul- oder Hauptschulabschluss nur 36 Prozent. Schon die bloße Teilnahme am Internet differenziert sich also entlang der klassischen Merkmale sozialer Ungleichheit.
Vorhandene Studien konzentrieren sich bislang zumeist gerade auf die bloße Teilnahme: die Verbreitung von Internetzugängen und deren quantitative Nutzung. Diese Perspektive erlaubt freilich nur einen eingeschränkten Zugang zur Problematik der "digitalen Spaltung". Denn die entscheidende Frage ist mittlerweile weniger, ob die Menschen das Internet nutzen, sondern wie und wofür sie es nutzen. Es ist ein großer Unterschied, ob das Internet lediglich zu Unterhaltungszwecken "konsumiert" wird oder ob man es in qualitativ hochwertiger Weise strategisch zu nutzen weiß. Dies ist jedoch weniger eine Frage des Zugangs, sondern der Qualifikation, der Kompetenzen und der Fähigkeiten des Nutzers.
Die Nutzung des Internets erfordert zunächst eine spezifische praktische Bedienungskompetenz. Neben technischem Know-how und einer gewissen Versiertheit - zum Beispiel bei der Bedienung eines Browsers oder der Einrichtung einer Firewall - gilt es gerade für neue "User" ein Vertrauen in die Technik und die eigene Kompetenzen aufzubauen. Auswertungen des Statistischen Bundesamtes (2005) stellen fest, dass schon die Aneignung von Kenntnissen im Umgang mit PC und Internet sich zwischen den Qualifikationsgruppen unterscheidet.
Im Vergleich zu Nutzern mit Hochschulreife werden von weniger qualifizierten Gruppen Bildungsangebote von Schulen, Ausbildungseinrichtungen oder am Arbeitsplatz weniger genutzt, sie stehen dort auch weniger häufig zur Verfügung. Diese Gruppen bringen sich den Umgang mit PC und Internet auch seltener selber bei als höher Qualifizierte. Ohne solch einen "selbstbewussten" Umgang mit Computer und Netz können die Potenziale dieses Mediums jedoch kaum ausgeschöpft werden: Wer Angst und Unsicherheit im Umgang mit Maus & Co. verspürt, wird Internet-Banking oder neue Möglichkeiten einer E-Democracy kaum als persönliche Bereicherung oder gar Entfaltung erleben.
Neben dem unmittelbar technischen Know-how sind aber auch sprachliche und soziale Kompetenzen für eine erfolgreiche Nutzung des Internets entscheidend. So verlangt der Umgang mit der oft unübersichtlichen Informationsflut die Fähigkeiten, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und in abstrakten Oberbegriffen zu denken. Wenig überraschend zeigt die ARD/ZDF-Online-Studie (2005), dass auch hier Hochqualifizierte "die Nase vorn haben". Die zielorientierte Suche nach spezifischen Informationen im Internet ist demnach eine Domäne von Berufstätigen und Nutzern mit höherer Bildung. Darüber hinaus haben sich auch im Netz längst besondere Umgangsformen etabliert, die den ausgrenzen, der sie nicht beherrscht ("Netiquette"). Es wird immer wichtiger, sich in diesem sozialen Raum angemessen präsentieren und bewegen zu können. Zahlen des Statistischen Bundesamtes (2006) zeigen freilich, dass die Beteiligung an Diskussionsforen, Internetchats oder die Möglichkeit, sich in Form einer eigenen Website im Internet zu präsentieren, von bildungsfernen Gruppen weniger in Anspruch genommen wird.
Mit steigendem Bildungsniveau wird das Internet weitaus vielfältiger und anspruchsvoller genutzt. Für sozial benachteiligte Personengruppen ist es offenbar besonders schwer, die Chancen des neuen Handlungsraums auszuschöpfen. Diese "digitale Spaltung" trägt dazu bei, dass ausgrenzende Mechanismen gerade nicht abgeschwächt werden; vielmehr werden bestehende soziale Ungleichheiten stabilisiert und verstärkt. Wer allen Menschen gleiche gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen will, sollte sich deshalb nicht alleine auf die demokratisierende Wirkung des Internets verlassen. Vielmehr gilt es auch, gesellschaftliche Strukturen, die Ungleichheit fördern, zu verändern - dafür freilich kann der neue Handlungsraum Internet wichtig werden.
Die Autoren arbeiten am Institut für Sozialforschung in München.
www.isf-muenchen.de