Politiker und Internet - das passte lange nicht zusammen. Unvergessen zum Beispiel der Auftritt von Helmut Kohl in der Talkshow von Hans Meiser während des Bundestagswahlkampfs 1994. Auf das Thema Internet und "Datenautobahn" angesprochen sagte Kohl damals, seine Regierung werde alles unternehmen, damit die Straßen in Deutschland weiter ausgebaut werden. Mittlerweile hat sich natürlich herumgesprochen, welche Chancen das globale Netz auch für die Politik eröffnet.
Dass Internet - und vor allem auch Weblogs - ideale Plattformen der politischen Komunikation sind, habe ich bereits vor einigen Jahren in den USA beobachtet. Umso mehr freue ich mich, dass mittlerweile auch die deutschen Volksvertreter verstärkt Interesse an etwas zeigen, das im Bereich der Neuen Medien liegt. Ein Politiker, der heute keine Internet-Präsenz beweist, hat meines Erachtens die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Mehr noch: In meinen Augen nimmt er seine Aufgaben und Pflichten nicht vollständig wahr, wenn die Menschen keine Gelegenheit haben, sich über seine Tätigkeiten zu informieren.
Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos wurde den Weblogs vor zwei Jahren viel Aufmerksamkeit geschenkt. Der damalige Chefredaktuer von Focus Online fühlte sich davon inspiriert und meinte, so etwas müsste man mal mit Politikern machen. Und seit Juni 2005 stelle ich nun regelmäßig Beiträge ins Netz. Täglich etwas zu schreiben, das schaffe ich nicht - um die drei Texte pro Woche werden es aber meistens trotzdem.
Ich finde es dabei überaus interessant, wenn ich nicht nur ein Tagesthema vorgebe und meine Gedanken zusammenfasse, sondern dass im Anschluss eine richtige Diskussion daraus entsteht. Leuten, die sich aktiv beteiligen, gebe ich auch gerne eine direkte Antwort. Manchmal muss ich dazu ausführlich recherchieren und habe auch meine Mitarbeiter entsprechend eingespannt. Letztlich aber dient das einer Versachlichung der politischen Diskussion und die Leser merken, dass das Weblog keine Einbahnstraße ist.
Bei den Kommentaren, die mich erreichen, geht es natürlich manchmal ganz schön heftig zu. Das ist aber eine Besonderheit des Mediums: Jeder darf seine Meinung sagen und bleibt doch anonym, obwohl seine Nachricht von vielen Tausenden von Menschen gelesen wird. Das Internet verlockt dazu, verbal aggressiver zu sein. Und Politiker sind als Punching-Objekte nun mal beliebt. Selbst wenn mich persönliche Angriffe, Beleidigungen oder ein unflätiger Ton stören: Ich versuche das mit Professionalität zu sehen. Teilweise muss ich mich aber sogar wegen meiner Haarfarbe oder wegen meines Doppelnamens erklären. Das nervt natürlich.
Gleichwohl gewinne ich auch interessante Erkenntnisse. Bei der Wähleranalyse der Europawahlen 2004 hat sich zum Beispiel ergeben, dass Internet-Nutzer am ehesten FDP und Grüne wählen. Es handelt sich zudem zumeist um ein fachlich sehr interessiertes wie hoch qualifiziertes Publikum, das ich direkt erreichen kann. Das ist ein Vorteil, den man nicht von der Hand weisen darf. Die FDP war übrigens schon immer ein Vorreiter in Sachen Kommunikation über das Internet - weil es ein schnelles und günstiges Medium ist und wir wissen, dass viele unserer Wähler es nutzen.
Wie es allerdings um das Internet-Wissen manch anderer Politiker und Parteien noch im letzten Jahr bestellt war, zeigt sich am Beispiel der CSU: In der Schlussphase des Wahlkampfs setzten die Bayern neben Plakaten und Kundgebungen vor allem auf moderne Wahl-Werbung. So wurden annähernd 300.000 E-Mails und mehrere tausend Voice-Mails verschickt, bei denen sich Edmund Stoiber vom Tonband auf Handys meldete und gerade Jungwähler zum Wählen motivieren wollte. Nicht bedacht hat man in der CSU-Landesleitung indes, dass unverlangt verschickte Werbung über Email oder auf das Handy ungesetzlich ist. Der Fachausdruck dafür ist Spam. Das ist englisch und bedeutet Sülzdosenfleisch, wird aber gemeinhin mit Müll übersetzt. Die Folge: Die CSU hat Tausende von Menschen verärgert und sich selber lächerlich gemacht..
Die Autorin ist FDP-Abgeordnete im Europäischen Parlament.
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