Nun also der Kongo - die programmatische Aussage des ehemaligen Bundesverteidigungsministers Peter Struck (SPD), die Bundeswehr könne in Zukunft überall auf dieser Welt zum Einsatz kommen, soll sich ein weiteres Mal bestätigen. Während deutsche Soldaten bereits in Afghanistan, in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, am Horn von Afrika und im Sudan in ganz unterschiedlich gearteten Einsätzen stehen, sollen sie sich nun auch bis nach Zentralafrika vorwagen: in den seit Jahrzehnten vom Bürgerkrieg gepeinigten Kongo. Ihr Auftrag: Zusammen mit anderen Truppenkontingenten aus der Europäischen Union soll sie die 17.000 Mann starke Blauhelm-Truppe der Vereinigten Nationen (MONUC) bei der Sicherung der ersten freien Parlaments- und Präsidentschaftswahlen seit 40 Jahren unterstützen.
Ursprünglich wollte der Deutsche Bundestag bereits in der vergangenen Woche in erster Lesung über das notwendige Mandat debattieren, doch das Parlament setzte die Beratung wieder von der Tagesordnung ab. Kein Wunder, denn die konkreten Modalitäten für den Einsatz sind in weiten Teilen noch ungeklärt. Auch die für den 17. Mai geplante Kabinettsberatung über den Einsatzantrag, der dann dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt werden muss, könnte erneut verschoben werden. Der Bundestag hat die Beratung über einen entsprechenden Antrag jedoch für den 19. Mai in der Tagesordnung eingeplant.
Glücklich über die Situation ist auch der Bundesverteidigungsminister nicht - zumindest kritisierte Franz-Josef Jung (CDU) die Vorbereitungen der EU in einem Interview mit der "Mitteldeutschen Zeitung" vom 12. Mai recht unverholen: "Die Arbeit der Europäischen Union in der Kongo-Frage könnte etwas effektiver werden."
Mit dem militärischen Einsatz der EU sind augenblicklich in der Tat mehr unbeantwortete Fragen als Antworten verbunden.
Beispiel Wahltermin: Bereits mehrfach verschoben, war der 18. Juni für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen anvisiert worden, dann ein Termin Ende Juni - jetzt ist von Ende Juli die Rede. Bei den Wahlen werden sich voraussichtlich 33 Kandidaten um das Amt des Staatspräsidenten bewerben. Für die 500 Parlamentsmandate wollen 9.630 Bewerber antreten.
Beispiel Truppenstärke: Derzeit ist ein Kontingent von rund 1.500 EU-Soldaten geplant, an dem sich die Bundeswehr mit rund 500 Mann beteiligen soll. Ein ungefähr gleich großes Kontingent soll Frankreich stellen. Die übrigen Truppenteile sollen aus 14 weiteren EU-Staaten kommen. Auch über die Art der zum Einsatz kommenden Truppen scheint abschließend noch keine Einigkeit zu herrschen. Auf deutscher Seite sind Sanitäter, Fermelder und Logistiker im Gespräch, die die europäischen Verbündeten unterstützen sollen. Wer nach der Beteiligung deutscher Kampftruppen fragt, bekommt ausweichende Antworten. "Genau werden wir es erst wissen, wenn die Kontingente beisammen sind", sagt Ulrike Merten (SPD), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Interview mit "Das Parlament". Und auf Nachfrage: "Die Aufgabe wird sein, den Prozess nach den Wahlen bis zur Regierungsbildung zu begleiten und dafür zu sorgen, dass er friedlich und ungestört verlaufen kann." Eine Anwort, die viel Interpretrationspielraum zulässt.
Bislang sind die Beratungen der so genannten Truppensteller-Konferenz zu keinem abschließenden Ergebnis über Stärke und Zusammensetzung der EU-Mission gekommen. Klarheit soll nun bei einem Treffen der Verteidigungsminister am heutigen Montag in Berlin geschaffen werden.
General Rolando Mosca-Moschini, Sprecher der Generalstabchefs der 25 EU-Mitgliedstaaten hatte in der vergangenen Woche gegenüber der Tageszeitung "Die Welt" bereits eingeräumt, dass sich die ursprünglich vereinbarte Truppenstärke noch ändern könnte: "Es kann sein, dass einige Länder in einer neuen Situation gebeten werden, ihre Truppenkontingente zu verändern." Und noch am 12. Mai war aus Meldungen der Presseagenturen zu vernehmen, dass es den Planern in Brüssel an ausreichenden Zusagen beim Lufttrans-port und im Sanitätswesen fehle. Solche Truppenteile gelten in allen Streitkräften der EU-Mitgliedstaaten als Mangelware.
Beispiel Kosten: Ursprünglich hatte die Bundesregierung einen Etat von 20 Millionen Euro für den Bundeswehr-Einsatz veranschlagt. Nun musste Verteidigungsminister Jung vor dem Haushaltsauschuss des Bundestages am 11. Mai eingestehen, dass sich die Kosten voraussichtlich "auf mindestens 50 Millionen Euro" belaufen werden.
Geklärt scheint bislang nur, dass die EU-Mission auf vier Monate begrenzt werden soll und das deutsche Soldaten lediglich in der Hauptstadt Kinshasa zum Einsatz kommen sollen. Doch diese Begrenzungen des Mandates sind nicht unumstritten.
Bei so viel Fragezeichen wundert es nicht, dass etliche Abgeordnete im Bundestag sauer sind: "Die Planungen für einen möglichen Einsatz der Bundeswehr im Kongo sind ein Stück für das Tollhaus und einer so schwerwiegenden Entscheidung wie für einen Auslandseinsatz unwüdig", wetterte Birgit Homburger, sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, in der vergangenen Woche. Nicht nur der Bundestag brauche Klarheit, vor allem den Soldaten der Bundeswehr sei Verteidigungsminister Jung eine klare Aussage schuldig. "Wenn die bisherigen chaotischen Planungen weitergehen", so die Liberale, werde auch die Skepsis gegenüber dem Kongo-Einsatz "täglich weiter wachsen".
Auch die Grünen fordern von der Bundesregierung ein "glasklares Mandat". Claudia Roth, Parteivorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, mahnte Anfang vergangener Woche, dass dies sowohl der "internationalen Herausforderung" des Einsatzes gerecht werden müsse, als auch den Sicherheitsinteressen der beteiligten Soldaten. Eine Aufstockung des deutschen Truppenkontingentes lehnte sie ab: "Im Moment sind wir damit einverstanden, was die Größe des deutschen Teils angeht." Doch an diesem Punkt regt sich Widerstand. Ausgerechnet der Abgeordnete Christian
Ströbele - bekannt für seine pazifistische Grundhaltung und seine Kritik an diversen Auslandseinsätzen der Bundeswehr - fordert eine Aufstockung der EU-Truppe. Zusammen mit seinem Fraktionskollegen Winfried Nachtwei hatte er den Kongo erst kürzlich besucht, um sich von der Situation vor Ort ein Bild zu machen. Zurückgekehrt nach Berlin forderten beide, das Mandat der Bundeswehr nicht zu eng zu fassen - und zwar hinsichtlich des Einsatzortes, des Auftrages und der Zahl der eingesetzten Soldaten. Notwendig sei ein "klares, ehrliches und glaubwürdiges Mandat".
Eine solche Ausweitung des Mandates lehnt Verteidigungsminister Jung jedoch kategorisch ab. Der verabredete Einsatzort der Bundeswehr werde über Kin-shasa hinaus nicht erweitert. Der Abgeordnete Nachtwei und seine Kollegin Kerstin Müller verwiesen Ende vergangener Woche noch einmal auf das Mandat der Vereinten Nationen für die Mission: Deren Auftrag sei es, "zum Schutz von Zivilpersonen beizutragen, denen unmittelbar physische Gefahr droht". Eine Begrenzung des Auftrags auf die kongolesiche Hauptstadt sei im UN-Mandat ausdrücklich nicht vorgesehen. Deshalb müssten die Soldaten notfalls auch außerhalb von Kinshasa zu Einsatz kommen können. Die Bundeskanzlerin, so forderten die beiden Grünen, solle endlich den "unverantwortlichen Eiertanz ihres Verteidigungsministers beenden".
Auch in den Reihen der Sozialdemokraten waren in den vergangenen 14 Tagen entsprechende Stimmen laut geworden. Der verteidigungspolitische Sprecher Rainer Arnold hatte vorgeschlagen, die Bundeswehr zumindest bei Evakuierungsmaßnahmen außerhalb Kinshasas einsetzen zu können. Prompt kam Widerspruch von Johannes Kahrs, Sprecher des konservativen "Seeheimer Kreises" in der SPD-Fraktion. Kahrs zeigte sich in der Tageszeitung "Die Welt" höchst verwundert über diesen Vorschlag. Er verwieß darauf, dass es in den Regierungsfraktionen eine große Zahl von Gegnern des Einsatzes gebe, die ihre Bedenken erst durch die Begrenzung des Mandates zurückgestellt hätten: "Wenn man will, dass die Koalition in der Masse beieinander bleibt, sollte man nicht den Kompromiss aufkündigen."