Der größte Tresor der Welt steht in Zürich, genauer gesagt zwischen Hauptbahnhof und Zürichsee, dort liegt die Bahnhofstraße. Und dort, in jener bieder klingenden Straße bei den ebenso biederen, internationalen Geldverwaltern "bunkern die Superreichen dieser Welt ihr Geld". So beginnt das viel versprechende Buch "Tatort Zürich" von Leo Müller, nach Verlagsangaben eine Koryphäe des investigativen Journalismus. Und der Verlag verspricht nicht zuviel, denn Müllers Bericht liest sich als reich garnierter Doku-Thriller. Spannend und fundiert erzählt der Autor von großen Skandalen, skizziert die Methoden korrupter Manager und Finanzakrobaten. Seine Fallbeispiele eröffnen einen Blick auf die Mechanismen des schweizerischen Finanzsystems, er berichtet vom notorischen Versagen der Justiz, der Entstehung einer neuen Geldpolizei und zeigt die neuen Ausweichquartiere der Kapitaltouristen und Geldwäscher.
Viele bekannte Persönlichkeiten werden in den Strudel des schnellen Geldes hineingezogen, wie es das im Buch dokumentierte Beispiel des bekannten Hollywood-Schauspielers Don Johnson zeigt: Der in Finanzgeschäften offensichtlich naiv agierende Filmstar suchte in der Schweiz nach einem Finanzdeal für ein Filmgeschäft. Die von ihm kontaktierten Banker hatten hierfür ihre üblichen Werkzeuge auf den Tisch gelegt: "Anstalten in Liechtenstein, Trusts auf den Kanalinseln, Stiftungen in Zug", von denen sich der Darsteller für ein Trust-Modell auf der Isle of Man entschied. Mit einem dubiosen Garantiepapier wollte der "Miami Vice"-Cop an das große Geld kommen, doch reale Polizisten des Bietinger Zollhauses und schweizerische Banker stoppten den Sunnyboy.
Zunächst fiel er dem deutschen Zoll beim dortigen Grenzübergang durch seine protzige Limousine der Retro-Marke Maybach auf und musste den Inhalt seiner mitgeführten Aktentasche offenbaren, was ihm einigen Ärger mit Steuerbehörden und Moderatoren in der Heimat einbrachte, und im weiteren Verlauf enttarnten die schweizerischen Finanzdienstleister seine Papiere.
Don Johnson hatte sich auf ein Spiel eingelassen, das, so Müller, "seit Jahrzehnten in den finanziellen Randgemeinden der Gesellschaft offeriert wird. Die Masche mit den Bankgarantien erzeugt unter Kriminalisten und Bankendetektiven nur ein müdes Lächeln, sie gehört zu den Alltagsproblemen der Sicherheitsleute."
Natürlich haben die Reichen, das liebe Geld und die Schweiz nach wie vor einen hohen Crimefaktor und sind daher dankbare Ingredienzien eines nimmermüden Themas. Doch zwischen allen Geld-auf-Abwegen-Klischees, Millionär-über-Nacht-Legenden, Bankgeheimnis-Mythen und dubiosen Finanzgeschichten zwängt sich eine wachsende, öffentliche Transparenz in die Machenschaften und Geschehnisse des Kapitalmarktes, und Leo Müllers Engagement und Buch tragen ihren guten Teil dazu bei. Mit hervorragenden Insider-Kenntnissen und zugleich sicherem Instinkt für Brisanz führt uns der Journalist bissig, ironisch und mit feinem Witz an den traditionellen Knotenpunkt der Diskretionen, an dem alle Geschäfte nicht das sind, was sie scheinen, aber vor allem nicht immer das bringen, was sich ihre Akteure von ihnen versprechen.
Doch trotz wacher Journalisten vom Format eines Leo Müller wird es der internationalen Wirtschafts- und Finanzkriminalität weiterhin gelingen, ihr eigenes Schattenreich am Leben zu erhalten, abseits jeglicher Öffentlichkeit. Selbst dabei geschädigte Unternehmen, die Opfer von Finanzmanipulationen geworden sind, treten nicht in das Blitzlicht, sondern setzen auf eine eigene, ebenfalls im Dunkeln agierende Do-it-yourself-Justiz. Auf diese Weise organisiert sich dieser Kosmos selbst.
Ab und an dringen dann doch Enthüllungen in das öffentliche Visier: Allerdings von denen, die ein im Buch zitierter Geldwäsche-Experte so beschreibt: "Denn erwischt werden nur die Dümmsten und Ungeschicktesten."
Leo Müller: Tatort Zürich - Einblicke in die Schattenwelt der internationalen Finanzkriminalität. Econ Verlag, Berlin 2006; 341 S., 19,95 Euro