Der Ungeist der nationalsozialistischen Kulturpolitik, so die zentrale Aussage Hermann Glasers, hat seine Wurzeln in der "Spießer-Ideologie" des 19. und 20. Jahrhunderts. Er greift damit zurück auf sein erstes, Epoche machendes Werk von 1964, zieht die Fäden jetzt aber noch feiner, gestützt auf neue Fakten und Untersuchungen anderer Autoren. Allerdings entspricht der Titel des Buches nicht ganz dem Inhalt. Denn die Zerstörung des deutschen Geistes hatte schon lange vor Hitler begonnen. Ein bösartiger Antisemitismus, nationale Überheblichkeit, die Abwertung anderer Kulturen, der übersteigerte Militarismus, Autoritätsgläubigkeit, die Verteufelung der Demokratie sowie die Ausblendung der sozialen Frage - Hitler und seine Vasallen fanden ein gut bestelltes Feld vor, dessen vergifteten Früchte sie nur noch zu voller Reife bringen mussten.
Die verhängnisvolle Entwicklung des Bürgertums zum Spießbürgertum, die Stilisierung deutscher Denker und Dichter zu "nationalen Götzen", die nur noch als Fassade dienten, vermittelt Glaser sehr überzeugend. Sprach Bismarck von "Blut und Eisen", so Hitler später von "Blut und Boden". Die Hetzschrift "Mein Kampf", meint Glaser, war im Kern ein "Spießer-Spiegel", dessen Ungeist vielen Deutschen zusagte, weil sie aus einem ähnlichen kleinbürgerlichen und unterdrückten Milieu stammten.
Am ausführlichsten ist das Kapitel Kunst im Dritten Reich ausgefallen. Gerade auf diesem Bereich gelang der nationalsozialistischen Propaganda die "Entartung" humaner Werte am vollkommensten. Glaser belegt, dass die Zerstörung des deutschen Geistes von der Mehrheit der Deutschen nicht nur nachvollzogen, sondern teilweise auch tatkräftig unterstützt wurde - von Professoren, Lehrern, Pfarrern, Intellektuellen, Unternehmern, wobei nur wenige nach dem Zusammenbruch die moralische Größe hatten, zu ihrer Schuld zu stehen.
Hermann Glaser: Wie Hitler den deutschen Geist zerstörte.: Kulturpolitik im Dritten Reich. Ellert & Richter, Hamburg 2005; 289 S., 19,95 Euro